Hueter der Daemmerung
Weg in Richtung Motorrad machten. Mittlerweile war es beinahe dunkel und die Straßenlaternen entlang der Hauptstraße warfen weiche Lichtflecke auf den Asphalt. Die Freude darüber, dass Mom noch am Leben war, verlieh meinen Schritten Schwung und Leichtigkeit.
»Eindeutig«, bekräftigte Alex. »Aber er hält mich für einen Glückspilz.« Er wollte noch etwas sagen, unterbrach sich aber und schaute zur anderen Straßenseite hinüber.
Ich folgte seinem Blick und sah eine heruntergekommene Ladenzeile mit einem Secondhandshop an der Ecke. Im Laden brannte Licht und ich wusste, dass Alex überlegte, hineinzugehen. Außer dem, was wir am Leibe trugen, besaßen wir beide nichts mehr zum Anziehen – und auch sonst eigentlich nichts.
Ich ließ meinen Gedanken Richtung Laden wandern und scannte ihn. »Er ist in Ordnung«, sagte ich. »Nach meinem Gefühl ist er so gut wie leer.«
Alex nickte und kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Vielleicht sollten wir es riskieren«, sagte er. »Wenn sie eine gebrauchte Campingausrüstung haben, wären wir nicht mehr auf Motels angewiesen, bis wir in Mexiko ein sicheres Versteck gefunden haben. Außerdem sollten wir uns vielleicht einen zweiten Helm besorgen, damit wir beide unser Gesicht verdecken können.«
»Oh«, sagte ich.
Alex sah zu mir herunter. »Was?«
»Ach nichts. Ich dachte bloß, du willst was zum Anziehen besorgen.«
Amüsiert hob er die Augenbrauen. »Wir sind auf der Flucht und du meinst, ich mache mir Gedanken um Klamotten?«
»Alex, ich trage meine Sachen jetzt schon drei Tage am Stück. Das wird allmählich eklig. Und weißt du, wenn wir schon mal drinnen sind …«
»Das ist so eine Mädchensache, oder?«
»Das wäre möglich«, räumte ich ein.
Der Secondhandladen war riesig, aber es war bereits so kurz vor Ladenschluss, dass wir die einzigen Kunden waren. Die alte Frau hinterm Tresen las eine Liebesschnulze und hob noch nicht einmal den Kopf, als wir hereinkamen. Wir suchten uns beide ein paar Kleidungsstücke zusammen und Alex fand noch einen Motorradhelm, außerdem zwei alte Schlafsäcke und ein Zweimannzelt. Und dann, gerade als wir unser Zeug zum Tresen trugen, sah ich sie: Ein Paar fast neue dunkellila Chucks, genau in meiner Größe.
»Guck mal Alex, guck mal!« Ich flitzte hinüber und probierte sie an. Sie passten wie angegossen. Und sie kosteten nur vier Dollar. »Okay, die nehme ich auf jeden Fall.« Ich legte die alten Turnschuhe zurück, die ich eigentlich hatte kaufen wollen.
Alex feixte. »Na wunderbar.« Dann bemerkte er meinen Gesichtsausdruck und fing an zu lachen. »Ist das schon wieder so eine Mädchensache? Ich habe noch nie jemanden gesehen, der sich über ein Paar Schuhe so dermaßen gefreut hat.«
Er hatte recht. Ich konnte nicht aufhören zu grinsen. Vielleicht war es blöd, aber es fühlte sich an, als hätte ich ein kleines Stück von mir, das ich verloren hatte, zurückbekommen.
Wir hatten in einer schattigen Ecke an der Seite des Gebäudes geparkt. Als wir zum Motorrad zurückkamen, zog Alex das blaue T-Shirt aus, das er die letzten Tage getragen hatte, und griff nach der Tüte mit unseren Klamotten. Mir wurde ganz warm, als ich die Muskeln an seinem Oberkörper und seinen Armen sah. Wir waren seit über einem Monat zusammen, aber es kam mir länger vor – ich konnte mir ein Leben ohne Alex nicht mehr vorstellen.
»Das ist unfair«, murrte ich und lehnte mich an das Motorrad. »Ich kann mich nicht einfach so hier draußen umziehen.«
Das AK-Tattoo auf seinem Oberarm verzerrte sich, als er sich ein langärmliges weißes Thermoshirt über den Kopf zog. Darüber kam ein verblichenes kariertes Hemd, das er offen ließ. »Tu dir keinen Zwang an.« Er grinste, während er die Ärmel etwas hochkrempelte. »Ich habe nichts dagegen.«
Ich musste lachen. »Darauf wette ich. Netter Versuch.« Ich stopfte die Tüte mit unseren Sachen in das Gepäckfach. »Wie viel Geld haben wir denn noch?«, fragte ich. All die Sachen waren zwar richtig billig gewesen, trotzdem hatten wir beinahe hundert Dollar ausgegeben.
Alex ging in die Knie, um das Zelt hinten unter dem Sitz zu befestigen. »Sagen wir mal, ich bin echt froh, dass wir kein Geld mehr für Motels ausgeben müssen.«
Ich biss mir auf die Lippe. So schlimm. Einer der Gründe, warum wir nach Mexiko gehen wollten – abgesehen davon, dass mittlerweile praktisch die gesamten USA Jagd auf uns machten – war der, dass es dort billiger war. »Wir sollten versuchen, auch am
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