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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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noch hin und her schlenkerte. Er schoss einmal, zweimal, dreimal. Jeder Schuss ein Volltreffer. Die Gruppe verstummte, während sie ihm zusah.
    »Das erwarte ich von euch«, sagte Alex. Er gab Sam die Waffe zurück. »Bis dahin werdet ihr euch von jedem Engel fernhalten – und damit basta. Ihr nützt mir gar nichts, solange ihr sie nicht auch tatsächlich treffen könnt.«
    Niemand sagte ein Wort, als er sie wieder an die Arbeit schickte, aber man hatte den Eindruck, dass ein Ruck durch die Gruppe gegangen war. Als hätten sie alle auf einen Schlag begriffen, worauf es ankam. Alex ließ sie weiterhin mehrere Stunden täglich trainieren und sorgte dafür, dass sie während der restlichen Zeit etwas für ihre Kondition taten und sich in Form hielten. Er besprach und paukte auch Strategie und Taktik mit dem Team. Unter anderem behandelte er das Thema »Wie verhalte ich mich bei einem Frontalangriff, ohne die Engel schnurstracks zu meiner eigenen Haustür zu lotsen«.
    Er war ein ausgezeichneter Lehrer – geduldig und gut im Erklären – aber ich merkte, dass er nie vergaß, dass ihm nur gut zehn Wochen blieben, um sie auf etwas vorzubereiten, das möglicherweise die einzige wirkliche Chance der Menschheit im Kampf gegen die Engel war. Obgleich er den anderen gegenüber nie durchblicken ließ, dass er die Anführerrolle nicht vorbehaltlos übernommen hatte, wusste ich, wie schwer die Verantwortung auf ihm lastete. Sie spiegelte sich in seinem Gesicht und seinen Augen und ließ ihn so viel älter wirken, als seine achtzehn Jahre, dass es mir das Herz im Leib umdrehte. Und obwohl ich seinem Vater nie begegnet war, musste ich nur zusehen wie Alex, umringt von der Gruppe, am Küchentisch Diagramme erläuterte, um zu wissen, dass er genauso war wie er.
    Im Fernsehen war zu sehen, dass sich die Welt bereits verändert hatte. Bisher waren manchmal ein oder zwei Tage verstrichen, ohne dass die Engel erwähnt wurden. Jetzt nicht mehr. So gut wie jedes Mal, wenn man den Sender wechselte, geriet man in eine Talkshow, in der über los angeles diskutiert wurde, oder in eine Dokumentation über wahre Engelgeschichten, die das Leben schrieb, oder in ein Musikvideo, in dem alle mit Engelsflügeln auf dem Rücken durch die Gegend hopsten. Wir konnten über Kabel CNN und ein paar andere amerikanische Sender empfangen und auch in den USA war es keinen Deut anders. Es gab haufenweise neue Fernsehshows: Wer ist der Engel? Engelspfade. Engel 1-2-3. Sie wirkten ohne Ausnahme billig und schnell zusammengeschustert, befriedigten aber offensichtlich eine gewaltige Nachfrage. Die Menschen konnten gar nicht genug bekommen von den Bildern ihrer Killer. Willkürlich aufgenommene Straßenszenen in den Nachrichten zeigten immer auch Leute, die künstliche Engelsflügel trugen. Mit dieser neuen Modemasche tat man kund, dass man einen Engel gesehen hatte. Oft erfasste die Kamera auch jemanden, der verträumt in die Ferne starrte und sich an der Wärme der wundervollen Kreatur berauschte, die außer ihm niemand sehen konnte.
    Alles in allem war es also nicht überraschend, dass sich die Lage der überfüllten Krankenhäuser zunehmend verschärfte. Ich erinnerte mich an den Bericht, den ich in Tennessee gesehen hatte: die Betten, die die Klinikflure säumten; das junge am Angelburn-Syndrom erkrankte Mädchen mit den erschöpften Augen. Das lag nur wenige Monate zurück und mittlerweile wirkten diese Bilder direkt fröhlich. Sowohl in Mexiko als auch in den USA starben die Menschen in den Krankenhäusern buchstäblich auf den Fußböden. Manchmal ließ sich nicht mal mehr ein Krankenwagen auftreiben, der einen mitnehmen, oder ein Krankenhaus, das einen aufnehmen konnte. Überall kam es zu Protesten und die Menschen forderten ein Eingreifen der Regierung. Hier in Mexico City waren die Zustände noch schlimmer, denn die Renovierung der Kathedrale und ihre Umgestaltung zu einer Kirche der Church of Angels war mit Steuergeldern finanziert worden. Was die meisten Menschen durchaus befürworteten. Eine Gruppe allerdings, die sich »Menschenrechtsaktivisten« nannte, war außer sich, dass die Geldmittel nicht für das Gesundheitswesen verwendet worden waren. Während der Proteste hier kam es inzwischen regelmäßig zu spannungsgeladenen Konfrontationen und verbalen Auseinandersetzungen zwischen Gläubigen und Aktivisten.
    Auch Raziel sahen wir im Fernsehen.
    Er steckte in seinem menschlichen Körper und schritt durch die Kathedrale von Denver – der Kommentar

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