Hueter der Daemmerung
auch Einladungen besorgt, die ihr und ihren »Freunden« eine Privataudienz während des Empfangs gewähren würden. Das war eine Riesenerleichterung – falls Erleichterung die treffende Bezeichnung für etwas sein kann, das einen mit blankem Horror erfüllt.
»Also werden wir das Hotel um drei Uhr durch den Vordereingang betreten«, sagte Alex und tippte auf den Bildschirm. »Wir gehen zusammen mit den anderen Gästen hinein … und fahren dann mit dem Fahrstuhl zum Festsaal rauf.« Sein Finger wanderte über den Grundriss, dann sah er auf den ausgedruckten Zeitplan, den Kara von Luis bekommen hatte. »Wissen wir schon, wo die Privataudienzen abgehalten werden?«
Kara schüttelte den Kopf. »Bestimmt in einem der Räume, die im selben Stockwerk liegen, oder? Vielleicht in dem hier?«
Sie zeigte auf einen anderen Konferenzraum weiter hinten im selben Gang.
Während sie ihre Unterhaltung fortsetzten, runzelte ich die Stirn … denn die Grundrisse weckten keine Empfindungen in mir. Nicht immer kann ich aus Bildern etwas herauslesen, aber unter den gegebenen Umständen hätte ich schon erwartet, etwas zu spüren. Den Anflug eines Gefühls, irgendwas. Aber es war, als wären die Pläne nur hohle Pixel auf einem Bildschirm und keine Darstellung des Ortes, an dem der lebenswichtigste Einsatz der Welt stattfinden sollte.
»Für den Empfang wird doch keine Abendgarderobe verlangt, oder?«, fragte Liz, die an ihren Nägeln kaute. Die meisten waren bis zum Nagelbett abgeknabbert. »Ist nämlich ’n bisschen schwierig, unter einem Abendkleid eine Waffe zu verstecken.«
»Oh Gott, daran habe ich ja noch gar nicht gedacht«, murmelte Trish und verzog besorgt das sommersprossige Gesicht.
»Nein, zum Glück nicht«, erwiderte Kara. »Luis hat gesagt, dass die Leute, die Mexico City repräsentieren, also auch wir, einfach ganz normale Kleidung tragen können. Ein wenig schicker vielleicht, so wie man zur Kirche ginge.«
Ich schaute weiter auf die Grundrisse und versuchte etwas, irgendetwas, zu erfühlen. Irgendwann gab ich es auf. Vielleicht war ich ja nur nervös.
»Glaubst du, die Engel dort werden die Auren der Besucher überprüfen?«, fragte ich Alex.
»Ein paar ganz bestimmt, weil sie sich nähren werden.« Er warf mir einen schnellen Blick zu und ich konnte den Gedanken in seinen Augen lesen – dass die Engel meine Aura erkennen könnten, bevor das Team einsatzbereit war. Das schien ihn nicht gerade zu bekümmern. Ich wusste, dass er alles dafür geben würde, wenn ich mich aus der ganzen Angelegenheit heraushalten und an einem sicheren Ort verkriechen würde.
»Ich will nichts hören«, sagte ich schnell. »Ich komme mit.« Hier im Haus zu hocken und zu warten, während sie loszogen -nicht zu wissen, was passierte und ob sie leben oder sterben würden – nein, ausgeschlossen. »Alex, ich muss mitkommen«, sagte ich, bevor er etwas erwidern konnte. »Und was ist mit Paschars Vision? Dass ich diejenige bin, die sie vernichten kann?« Ich spürte die Skepsis der anderen und wusste, dass niemand Paschars Vorhersage besonders ernst nahm – schließlich war mein letzter Versuch ja ganz offenkundig fehlgeschlagen.
Alex seufzte und strich sich die Haare zurück. Ich konnte sehen, wie müde er war, wie schwer das alles hier auf ihm lastete. »Vielleicht«, sagte er. Seine graublauen Augen fingen meinen Blick auf und baten mich zu warten, bis wir unter vier Augen darüber diskutieren konnten. Widerstrebend nickte ich.
Wesley saß mir gegenüber. Er studierte die Karte und hüllte sich in sein übliches verdrießliches Schweigen. Neben ihm lümmelte Sam auf seinem Stuhl.
»Okay«, näselte Sam und spähte auf den Bildschirm. »Kann man das Konzil genauso töten wie normale Engel? Oder sind die irgendwie anders, oder was?«
Kara schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Aber man muss sie töten können, denn sonst wäre ihre Sicherheit nicht so ein Riesenthema. Allem Anschein nach nähren sie sich, also nehme ich mal an, dass ihr Heiligenschein genauso verwundbar ist wie bei anderen Engeln. Ob es allerdings zusätzlich noch etwas gibt, um das wir uns sorgen müssen, weiß der Himmel.« Sie verdrehte die Augen. »Ich bin froh, dass Luis endlich den Mund aufmacht«, bemerkte sie trocken. »Die Anzahl von Fragen zum Thema Sicherheit, die ich zwischen ›Oh, du bist so wundervoll‹ und ›Ooh, mach das noch mal‹ quetschen kann, ist nämlich ziemlich begrenzt.«
Meine Wangen wurden heiß. Kara behandelte ihre
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