Hueter der Daemmerung
Beziehung zu Luis so prosaisch. Na ja , Beziehung war vermutlich das falsche Wort, auch wenn Luis das offensichtlich anders sah. Ich musterte sie heimlich und fragte mich erneut, ob die Art und Weise, wie sie Alex neulich angestarrt hatte, nur Einbildung gewesen war. Ich bekam diesen weichen Blick von ihr nicht aus dem Kopf. Es war einfach nur so ein Gefühl. Nicht, dass ich mir direkt Sorgen machte – jedes Mal, wenn Alex mich berührte, konnte ich spüren, wie sehr er mich liebte – aber es war auch nicht besonders toll. Kara war so fantastisch menschlich.
Brendans Finger trommelten leise auf die Tischplatte. Sogar wenn er stillsaß, war er trotzdem immer irgendwie in Bewegung. »Hey, wartet doch mal – könnte Willow uns nicht helfen?«, fragte er plötzlich.
Überrascht sah ich ihn an. »Ich – Entschuldigung, helfen, wobei? Ich fürchte, ich habe gerade an was anderes gedacht.«
In fast allen Gesichtern um mich herum spiegelte sich derselbe Gedanke: Ja, bestimmt an irgendwelches durchgeknallte Halbengel-Zeug.
Brendan schien es beunruhigend zu finden, direkt mit mir zu sprechen – hatten wir doch bisher nicht mehr als ein gemurmeltes »Hi« ausgetauscht, als wir einmal im Flur fast zusammengestoßen wären. Er räusperte sich und spielte mit seinem Teelöffel herum. »Ähm … helfen, herauszufinden, wie man das Konzil tötet«, sagte er. »Du kannst doch angeblich Gedanken lesen, oder? Vielleicht kannst du ja eine Vision über sie kriegen, oder so.«
Im Zimmer wurde es still. »Könnte sie das?«, fragte Kara Alex.
»Das solltest du Willow schon selber fragen«, entgegnete er kurz angebunden, während er weiterhin den ausgedruckten Zeitplan studierte. Er reagierte sehr unwirsch auf jeden, der mich ignorierte.
»So funktioniert das nicht«, sagte ich, bevor Kara etwas sagen konnte. »Das heißt, ja, manchmal erhasche ich kurz einen Blick auf etwas, aber meistens muss ich, wenn ich etwas Spezifisches erfahren möchte, jemanden berühren. An der Hand halten, zum Beispiel.«
Niemand sprach. Ich fühlte mich unwohl und zeichnete das Muster auf meinem Kaffeebecher nach. »Ich, ahm … habe zu Hause häufig Leuten die Zukunft vorausgesagt. In der Schule haben sie mich öfters darum gebeten.«
»Du bist zur Schule gegangen?«, platzte Liz heraus. Ihre blassen Wangen röteten sich, als ich sie ansah. »Ich meine … das klingt so normal.«
Normal. Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, dass sich, noch während ich sprach, mein Engel in mir regte. »Klar bin ich zur Schule gegangen«, sagte ich. »Bis vor ein paar Monaten habe ich ja von all dem hier nichts geahnt. Ich dachte, ich sei genau wie ihr.«
»Wow«, murmelte Sam und starrte mich an. »Halbengel, die zur Schule gehen, ohne dass wir es wissen? Das ist … gruselig.«
Ich sah, dass Alex ihm einen nachdenklichen Blick zuwarf und dann beschloss, den Mund zu halten. Ich zuckte mit den Schultern. »Halbengel im Singular wohl eher. Soweit wir wissen, bin ich der einzige, den es gibt.«
Zum ersten Mal weckte der Gedanke ein sehr seltsames Gefühl in mir. Es war mir vorher noch nie in den Sinn gekommen, wie viel Einsamkeit es beinhaltete, das weltweit einzige Exemplar einer Spezies zu sein. Ich fuhr schnell fort, bevor ich zu eingehend drüber nachdenken konnte. »Und überhaupt bin ich nicht so oft hingegangen, wie ich es hätte tun sollen – meine Freundin Nina und ich haben ziemlich oft geschwänzt und sind shoppen gegangen. Ich liebe altmodische Klamotten und in Schenectady gibt es diesen Laden, zu dem wir …« Ich verstummte und fragte mich, warum ich ihnen das erzählte.
Alle am Tisch sperrten Mund und Nase auf und ich konnte ihren gemeinsamen Gedanken beinahe hören: Du hattest eine Freundin? Dicht gefolgt von: Augenblick mal – du stehst auf Klamotten kaufen? in den Köpfen der Mädchen.
Dem Ausdruck auf Sams Gesicht nach zu urteilen entsprachen shoppende Halbengel exakt seiner Vorstellung eines Konversations-Super-GAUs. »Aha«, sagte er. »Könnten wir mal auf diesen Hellseherkram zurückkommen? Könnte sie – Willow - nicht in die Kathedrale gehen und anfangen, mit ein paar Leuten Händchen zu halten? Mit ein paar von den offiziellen Angestellten dort, oder so?«
»Das könnte einigermaßen verdächtig wirken«, sagte ich trocken. »Normalerweise muss ich mich ein paar Minuten lang konzentrieren. Es überkommt mich nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sobald ich jemanden berühre.«
»Aber du hast gesagt, dass du manchmal
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