Hüter der Flamme 01 - Die Welt des Meisters
lag in Embryohaltung zusammengerollt und zitterte im Schlaf. Barak zuckte mit den Achseln. Es war ihre Schuld. Sie hatte nicht nur seinen Vorschlag, sich einander zu wärmen, abgelehnt, sondern auch stur seinen Rat mißachtet, zumindest zwei Drittel ihrer Decken unter sich zu breiten. Der Boden entzog dem Körper die Wärme viel schneller als selbst die kälteste Luft.
Er rieb sich die Augen und schaute zu dem Zwerg auf. In dem schwachen Sternenschimmer konnte er den Gesichtsausdruck nicht erkennen. »Bin ich schon mit der Wache an der Reihe?«
»Nein.« Ahira winkte ihm, aufzustehen. »Schau mal den Berg hinunter, zur Stadt hin.«
Barak holte tief Luft und blickte in die Ferne. Nichts. In der Stadt funkelten ein paar Lichter, Sterne schimmerten über dem Meer; aber das war alles.
Großartig! Unser Führer sieht schon Gespenster. »Na und?«
»Siehst du denn nichts auf der Straße?«
Unter ihnen zog sich die Straße wie ein schwarzes Band auf schwarzem Hintergrund dahin. »Sei nicht albern! Du vielleicht?«
»Ich … ich habe gedacht, ich hätte einen Schatten gesehen, so, als ob jemand hingefallen wäre – da ist er. Kannst du ihn nicht sehen? Es leuchtet wie ein … «
»Leuchtet?« Er starrte hinunter. Nichts. Aha! »Ich sehe im Infrarot nichts, erinnerst du dich?«
»Entschuldige – warte!« Der Zwerg deutete mit dem Finger. »Aber das kannst du doch sehen, oder?«
Barak folgte dem ausgestreckten Arm. Weiter unten fla ck erten Laternen wie Leuchtkäfer auf der Straße. Drei – nein, vier. Sie waren zu weit weg, als daß Barak die Gestalten, die sie hielten, klar erkennen konnte, aber ,.. »Ich sehe Laternen. Aber warum sind sie draußen?«
»O mein Gott! Der Schemen auf der Straße – ist Hakim!« Der Zwerg wirbelte herum. »Alles auf. Gleich!«
Barak bückte sich, um sein Schwert in der Scheide aufzuheben. Es war besser, es in der dunklen Scheide stecken zu lassen, damit der glänzende Stahl das Licht nicht reflektierte und seine Anwesenheit verriet. Er warf noch einen Blick auf seinen Lederpanzer, der neben den Decken im Gras lag. »Den nehme ich lieber mit.«
»Den Teufel wirst du. Keine Zeit.«
»Nein, ich habe nicht den Panzer gemeint. Ich meinte, daß ich ihn holen und zurückbringen will. Deine Beine sind zu kurz; damit kannst du nicht schnell laufen.« Vier Kerle! Er mußte zwei schnell ausschalten, ehe sie seine Anwesenheit richtig mitbekamen. Selbst würde zwei gegen einen noch eine riskante Sache sein. »Hol deine Armbrust und komm nach.«
Ahiras Gesicht war immer noch nicht zu erkennen. Er zögerte. Dann meinte er: »Geh!«
Barak lief los. Hinter ihm rief Ahira den anderen zu: »Steht auf! Verdammt noch mal.«
Barak erreichte Hakim, als die Soldaten noch einige hundert Schritt entfernt waren. Das Flackern der Laternen kündete von ihrem Kommen. »Walter!« Er streckte die Hand aus und fühlte den Hals des Diebes. Gut. Da war Pulsschlag. Er fuhr mit der Hand weiter nach unten und zog sie zurück, als die Finger klebrig wurden. In der Schulter des Diebes steckte ein Messer. Aus der Wunde tropfte Blut.
Er wischte sich die Hand am Schenkel ab. Wo, zum Teufel, war Flinkfinger? Darüber konnte er sich aber jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Er konnte versuchen, Hakim von der Straße zu ziehen; aber das war vielleicht zu gefährlich. Die Bewegung könnte ihn umbringen, falls es noch weitere Wunden gab.
Er lächelte. Außerdem mußte er sich jetzt um etwas anderes kümmern.
Lautlos schlüpfte er in die Büsche neben der Straße und lockerte sein Schwert in der Scheide. Also, Karl, jetzt wird sich herausstellen, ob du es hast.
Karl? nein – Barak. Karl Cullinane hatte seit der dritten Klasse nicht mehr Hand aus Wut gegen irgend jemanden erhoben. Karl würde keine Spinne erschlagen; statt dessen würde er sie auf ein Blatt Papier locken und aus dem Fenster werfen.
Karl war ein Bauer, Barak ein Krieger. Also mußte es Barak sein, nicht Karl.
Und für einen Krieger ist alles eine Heraus for derung, eine Belohnung. Aber er mußte entscheiden, worin die Herausforderung bestand. Sie lediglich zu verjagen, würde nicht ausreichen. Dann würden sie vielleicht Verstärkung holen. Er mußte vier Soldaten ausschalten – keine beschönigenden Reden, töten! – und er mußte es tun, ohne selbst verletzt zu werden. Doria hatte nicht mehr viele Heilungszaubersprüche. Walter brauchte sie vielleicht alle.
»Arno, ich glaube, ich sehe ihn«, sagte der Soldat, der ihm am nächsten stand, in
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