Hüter der Flamme 01 - Die Welt des Meisters
länger für den nächsten.
Ruhig, mein Freund, nur noch ein paar Dutzend mehr. Er mußte eine Pause machen, weil ihm alles hochkam. Er versuchte zu vergessen, daß er in dieser Kloake stand.
Und – er durchschnitt den letzten Strang – fertig!
Ellegons mächtiger Kopf legte sich schräg. *Dankedan-kedankedanke …*
Seht. Hau lieber ab! Er steckte das Schwert zurück in die Scheide.
*Halt dich an meinem Nacken fest*, sagte der Drache. In seinem Hinterkopf stammelte eine unhörbare Stimme: *Frei. Frei. Ich bin frei. *
Karl faßte nach oben. Der Drache flatterte mit den Flügeln, wurde immer schneller und schwirrte hinauf auf den Balkon. Karl hing einen Augenblick in der Luft und ließ sich dann auf die Steinplatten fallen. *Frei! *
*Da wäre nur noch eine Sache*, sagte Ellegon und landete.
»Vorsicht, Karl, er will … «
Das Maul des Drachen öffnete sich und stieß eine Flammengarbe aus, die Karl einhüllte. Nur Flammen, keine Hitze, obwohl der stinkende Schlamm an seinem Körper Feuer fing, aufloderte und abbrannte. *Meine Flammen könnten dir nicht weh tun, Karl Cullinane. Dir nicht. Nicht jetzt.* Es prickelte angenehm, das war alles. Karl drehte sich im Feuerstrom und ließ sich wie in einer Dusche abwaschen.
*Frei!* Die Flammen hörten auf.
Flieg lieber weg!
Mit einem Schlag seiner Flügel sauste der Drache gen Himmel. Seine Flügel verschwammen, als er den Balkon und die Grube unter sich gelassen hatte.
Fliege weg, mein Freund.
Dreimal kreiste der Drache noch über ihnen und gewann jedesmal an Höhe.
* Frei. *
»Karl«, sagte Doria und schüttelte den Kopf. »Würde es dir etwas ausmachen, uns zu erzählen, was hier vor sich geht?«
»Leute, ich glaube es ist besser, wenn wir schnell von hier abziehen«, sagte Walter und trieb sie an. »Wenn die Behörden das herausbekommen, werden sie nicht allzu begeistert sein.«
Ellegon flog nach Norden hin. Er war jetzt schon so hoch, daß er nur noch ein Punkt auf dem blauen Himmel war.
*Frei. *
»Karl, warum?« fragte Doria.
Er legte einen Arm um ihre Taille, den anderen um Walter, als sie weggingen. »Weil ich mich noch nie so gut gefühlt habe. In meinem ganzen verdammten Leben noch nicht.«
* Frei. *
Das kam jetzt nur noch schwach. Hatte er es wirklich gehört, oder bildete er es sich nur ein?
Es spielte wirklich keine Rolle.
* Frei! *
Kapitel zehn
Das Gasthaus zur Sanften Ruhe
Vielleicht können wir leben ohne Poesie, Musik und Kunst. Vielleicht können wir leben ohne Gewissen, leben ohne Herz. Vielleicht können wir leben ohne Freunde, vielleicht leben ohne Bücher. Aber der zivilisierte Mensch kann nicht leben ohne Köche.
Edward Bulwer-Lytton, Earl of Lytton
Walter Slowotski unterdrückte ein Lachen über Andreas sprudelnde Begeisterung, als sie die Gruppe durch eine breite Straße auf das Gasthaus »Zur Sanften Ruhe« führte.
»Das müßt ihr sehen«, sagte sie und trieb die anderen an. »Und ich habe ein prima Geschäft mit dem Preis für die Suite gemacht – es kostet uns nur hundert Goldstücke für die nächsten zehn Tage.«
Hundert Gold? Bei den Preisen in der Stadt war das wirklich nicht viel. Walter zuckte mit den Achseln. Entweder hatte sie sie in einem grauen vollen Schuppen untergebracht, oder ihr Zauber war schrecklich wirksam gewesen.
Offensichtlich hatte Ahira den gleichen Gedanken. »Wenn du den, der den Laden leitet, bezaubert hast, wird … «
»Nein!« Sie ging selbstgefällig und schwungvoll weiter. »Der Besitzer trägt ein Amulett um den Hals, von dem er glaubt, daß es diese Art Zauber abhält.« Sie breitete die Hände aus. »Aber es hat überhaupt keine Aura – entweder ist es tot oder nicht echt. Aber da sind wir schon.«
Das Gasthaus war ein dreistöckiges Gebäude, ein Herrenhaus aus Marmor wie die steinerne Version der Herrensitze aus Vom Winde verweht. Hohe kannelierte Säulen bewachten die breite Treppe. Die Halle war ein stiller Raum mit tiefen, blutroten Teppichen, die die Müdigkeit aus Walters Beinen herauszusaugen schienen. Er lächelte, als er den Kopf zurücklegte, um das Deckengemälde zu genießen: Pummelige Nymphen jagten auf einer grünen Lichtung Einhörner.
Er wollte seinen Packen abstellen, als sechs junge Frauen in hauchdünnen weißen Kimonos herbei traten und ihnen die Lasten abnahmen. Andere kamen mit Silbertabletts voll heißer Tücher, um ihnen Hände, Füße und Gesichter zu erfrischen. Dann erschien eine neue Gruppe mit flauschigen Handtüchern, um sie
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