Hüter der Flamme 01 - Die Welt des Meisters
freundlichen Lächeln und Zahnlücken unterbrach ihn mit einem Kopfnicken. »Aber du machst dir Sorgen, daß du dich mit deinem eigenen Stock markierst.« Er schüttelte den Kopf. »Mach dir deswegen keine Sorgen, solange du dich nicht vor der ersten Runde beschmierst. Zwischen den Runden schicken sie Sklaven raus, die den Dreck abwischen.« Er legte den Kopf auf die Seite. »Würdest du mir einen Gefallen tun?« fragte er, als sie aus dem Tunnel in die Helligkeit des Kolosseums traten.
Karl holte tief Luft. Er hatte das Kolosseum noch nicht von innen gesehen. Es war ein sehenswerter Anblick. Das Kolosseum von Pandathaway war ein Amphitheater, dessen beide Arme aus grauem Stein auf die Ebene jenseits der Stadt hinausreichten. Die Ränge waren voll von jubelnden und schreienden Zuschauern. In der Nähe des Scheitelpunkts des Halbkreises, in Zentrum der Kurve, wo die Schwertkämpfer standen, war der Stein des Kolosseums dunkel, vom Alter befleckt. Nach außen hin, der Öffnung des Bauwerks zu, wurden die Steine heller, als ob sie neueren Datums wären, später hinzugefügt.
Und in der Ferne ragte das Aershtyl-Gebirge auf, ein hohes Massiv, das den Horizont verdeckte. Aus dieser Entfernung erschienen sie blau; Federwolken hingen an ihren Gipfeln wie Heiligenscheine aus Baumwolle. Die höchsten Gipfel waren schnee bedeckt. Blitzende Fäden zogen sich an ihnen herab und verbanden sich zu größeren Flüssen und Strömen.
»Für einen Schauspieler ist es hier aber verdammt schwierig zu spielen«, sagte Karls Begleiter.
Karl riß die Augen von den Bergen los. »Was?«
Lächeln. »Du mußt neu hier sein – das Festival der Klassiker ist hier vorigen Monat zu Ende gegangen.« Er zeigte auf die Ebene und die blauen Berge dahinter. »Wie würde es dir gefallen, hier Iranys bei der Konkurrenz zu spielen? Entweder wirft es einen Schauspieler um, oder er bringt die Schauspielleistung seines Lebens.«
»Das glaube ich.« Erst vor ein paar Wochen, nur vor einigen wenigen Äonen, war Karl noch ein Schauspielschüler gewesen und hatte weniger Aufmerksamkeit, als es angebracht gewesen wäre, dem Auswendiglernen seiner Rolle in der Glasmenagerie geschenkt. Aber das sollte auf einem Proszenium gespielt werden, wobei Scheinwerfer und Kulissen den Schauspielern halfen. Karl schüttelte den Kopf. Hier zu spielen, sich mit diesem Hintergrund zu messen, würde selbst Alex Guinness Angst einjagen.
»Na, wie steht's mit dem Gefallen?«
Karl runzelte über die Hartnäckigkeit des Kleinen die Stirn und fragte: »Was für einen Gefallen?«
»Sieh mal, mein Freund. Du bist zum erstenmal hier. Die Chancen sind, daß du es nicht weiter als die erste Runde bringst.« Er deutete mit dem Kinn auf die Sklaven, die den Sand glätteten. »Sobald die fertig sind, müssen wir uns aufstellen – in der ersten Runde kannst du dir den Gegner aussuchen. Es macht dir doch nichts aus, mich zu nehmen, oder! Ich könnte eine leichte erste Runde gebrauchen.«
Karl lächelte. »Vielleicht gewinne ich aber.«
Der andere zuckte mit den Achseln und lächelte ihn zweifelnd an. »Das Risiko gehe ich ein. Los jetzt, raus! Ich möchte einen Platz möglichst weit von den Rängen entfernt haben. Manchmal werfen die Gegenstände runter.«
Karl folgte ihm zu einer Stelle in der Nähe der Spielfeldmitte. Der abgegrenzte Kampfplatz war wie alle anderen fünfzig quadratisch, die Ecken durch Eisenstangen markiert. Es gab zwei Möglichkeiten, die Runde zu verlieren und damit jede Chance auf ein Weiterkommen im Turnier zu vertun: Entweder zwei Treffer, die die Richter als kritisch ansahen, oder während des Kampfes den Kampfplatz zu verlassen, der zehn Schritt im Quadrat groß war.
Als die Schwertkämpfer ihre Plätze einnahmen, wurde der Lärm auf dem Spielfeld leiser. Nur ein paar Kämpfer beklagten sich, daß sie keine schwächeren Gegner erwischt hatten.
Karl verdrängte ihr Gemurmel ebenso wie das wachsende Brüllen der Menge aus seinem Kopf. Er mußte gewinnen. Es stand zu viel auf dem Spiel, als daß er sich hätte ablenken lassen können.
Und wenn er diese Runde gewinnen sollte, mußte er für die nachfolgenden Kämpfe seine Kräfte sparen. Er hatte die Kämpfer nicht gezählt, aber es war unwahrscheinlich, daß ihre Zahl ausgerechnet eine Potenz von zwei war – das bedeutete, daß einige ein Freilos bekommen würden, jetzt oder in späteren Runden. Es war anzunehmen, daß die Freilose an Wettkämpfer vergeben wurden, die Siege aufzuweisen hatten; um für die
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