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Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht

Titel: Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Rosenberg
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nahm ein konisches Pulvermaß aus Messing von einem Haken, schüttete eine großzügige Ladung in die erste Pistole, stampfte das Pulver mit dem Ladestock fest und reichte Pistole und Stock an Jayar weiter.
    »Du und Ranella, ihr vertragt euch nicht?« fragte Karl.
    »Nun ... seid vorsichtig mit der Pistole, das ist eine starke Ladung«, sagte Jayar. »Und um Eure Frage zu beantworten, eigentlich bin ich für diesen Dienst zu alt, aber ich gebe einen wirklich lausigen Ingenieur für die Tagesschicht ab.« Jayar zuckte die Schultern. »Ich lasse mich zu leicht ablenken.« Mit dem Daumen wies er über die Schulter auf den Tisch, an dem er geschrieben hatte. »Ranella fühlt sich wohler, wenn ich zu Zeiten Dienst tue, an denen kein anderer Dienst hat.«
    »Ich habe nie gehört, daß du dich beschwert hast.«
    »Ich beschwere mich auch jetzt nicht, Majestät. Mir gefällt es gut, wie es ist.« Mit dem etwa dreißig Zentimeter langen Ladestock stopfte Jayar den Pfropfen in den Lauf, wickelte die Kugel in das Ölpflaster und rammte sie fest. »Ich liebe die Nacht«, fuhr er fort und streute etwas Zündpulver auf die Pfanne, bevor er den Hahn einschnappen ließ. »Alles ist ruhig, und ich kann mich meiner Schreiberei widmen.«
    »Du arbeitest immer noch an dem Geschichtswerk, ja?«
    Der Ingenieur wiegte den Kopf. »Irgend jemand muß es tun.«
    »Tatsächlich? Wie weit bist du gekommen?«
    »Nun ...« Der untersetzte Mann schob die Brauen zusammen. »Nicht annähernd weit genug. Aber weiter als gestern.«
    »In anderen Worten, ich sollte mich um meinen eigenen Kram kümmern.« Karl lachte in sich hinein.
    »Ich hätte es nicht so ausgedrückt«, sagte der Ingenieur und legte die geladene Pistole so auf den Tisch, daß der Lauf zur Wand zeigte. Dann griff er nach der nächsten. »Ich hätte es gedacht, aber ich hätte es nicht gesagt.«
    Karl nickte verstehend. »Wenn du fertig bist, wirst du es mich dann sehen lassen?«
    »Ich bin mir nicht sicher.« Jayar neigte den Kopf zur Seite. »Vielleicht sagt Euch nicht zu, wie ich Euch beschrieben habe.«
    »Dann«, meinte Karl mit einem stählernen Unterton in der Stimme, »möchte ich zu bedenken geben, daß Rang auch seine Privilegien hat. Du wirst mich das Buch sehen lassen, sobald es vollendet ist.«
    »Selbstverständlich, Majestät. - Die nächste Pistole, bitte.«
    Innerhalb weniger Minuten waren sämtliche vier Pistolen geladen und steckten sicher in ihren Futteralen.
    »Zu den Ställen, Majestät?« fragte Jayar, der hinter ihnen die Tür verriegelt hatte und jetzt mit einer Hand nach dem Sprechtrichter griff, während er mit der anderen nach der Siegelwachskerze tastete.
    »Ja«, bestätigte Karl, der genau wußte, was als nächstes kam. Er hätte wirklich gerne auf Begleitung verzichtet, aber ...
    »Hattet Ihr einen besonderen Wunsch in bezug auf die Eskorte, Majestät?«
    »Garavar - sag ihm, daß ich nur ihn und seine Söhne benötige. Und keine Eile. Es handelt sich ja nur um einen kleinen Ausritt - ich werde kurz vor Sonnenaufgang aufbrechen.«
    Garavar würde den Mund halten, hoffte Karl. Nach ein paar Jahren hatte sogar ein Kaiser gelernt, auf Befehle zu verzichten, von denen er genau wußte, daß ohnehin keiner sie befolgte. Es war keine Sache der Etikette, daß ein Kaiser nachts nicht ohne Eskorte ausreifen durfte; es war nüchterne Berechnung. Selbst wenn Karl nichts von einer Leibwache verlauten ließ, war es ein offenes Geheimnis, daß Ingenieure oder Soldaten, die ihn dennoch begleiteten, keine Bestrafung zu fürchten hatten.
    Anderereits konnte man gar nicht sicher sein, daß, im Falle er bei einem seiner nächtlichen Ausflüge tatsächlich ums Leben kam, sein Nachfolger - ob nun Jason oder der Baron mit dem schnellsten Pferd - sich ebenso gnädig gegen die Gefolgsleute des neulich Verstorbenen zeigen würden, Gefolgsleute, die zugelassen hatten, daß der Kaiser sich in Gefahr begab.
    Wenn man die Wahl hatte zwischen einem erhobenen Zeigefinger und dem Henkersbeil, fiel die Entscheidung leicht.
    »Sehr wohl, Majestät«, sagte Jayar und zog den Sprechtrichter dicht vor den Mund. »Achtung, Achtung«, rief er in die Öffnung, dann hielt er sie ans Ohr, bis er eine gedämpfte Antwort vernahm. »Ein Läufer zu General Garavars Quartier«, bellte er in den Trichter. »General Garavar und seine Söhne, wiederhole: Söhne, sollen sich bei den fürstlichen Stallungen einfinden, um den Kaiser als Eskorte zu begleiten. Kein Grund zur Hast, Eile tut's auch.

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