Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht
gellenden Schreie verwundeter Pferde, den Schwefelgestank des Schießpulvers, der irgendwie noch stärker und unangenehmer wurde, wenn die Schüsse in einem wirklichen Kampf abgefeuert wurden, den fauligen Gestank einer vereiterten Wunde, wenn kein Heiler und keine Heiltränke zur Hand waren.
Ging dann morgens die Sonne auf und sein Kopf war voll von Schlachten und Schwertern, Schüssen und Schreien, tappte Jason zu seinem Bett, wo er in einen traumlosen Schlaf fiel und erfrischt aufwachte. Danach ließ ihn sein innerer Dämon eine Zeitlang in Ruhe.
Das war Valerans Art, ihm die Hand zu halten, aber auch damit war es jetzt vorbei. Er rieb sich mit dem Handrücken die brennenden Augen.
»Taren«, wurde er von Vators seltsam gedämpfter Stimme aufgeschreckt.
Es dauerte einen Moment, bis Jason einfiel, daß er sich diesen Namen zugelegt hatte. »Ja?« Als er sich umdrehte, sah er den dicken Mann in der offenen Stalltür stehen. Er wirkte unruhig, angespannt, als wäre er bereit, jeden Augenblick davonzulaufen.
»Ich war eben beim Schmied. Er sagt, daß es Leute gibt, die nach dir suchen.«
Jason schüttelte den Kopf. »Kann nicht sein.«
»Die Beschreibung paßte«, meinte Vator. »Der Schmied glaubt, den Mann wiedererkannt zu haben - er hält ihn für einen dieser Leute aus Heim. Ungefähr so groß, dunkles Haar, leicht schräge Augen, freundliches Lächeln.«
Onkel Walter. Jason kämpfte gegen den Impuls, gleich die Beine in die Hand zu nehmen.
»Das ist nicht alles. Ein Sklavenhändler aus Pandathaway ist in der Stadt. Der Schmied hat ihm gegen Bezahlung verraten, daß Heim nach dir sucht - er ist der Meinung, wenn Heim Wert auf dich legt, dann auch die Gilde.« Vator befeuchtete sich die Lippen. »Ich kann mir keinen Ärger leisten. Du mußt gehen.«
Jason war bereits unterwegs zu der Stelle, wo er das Gewehr und seine restliche Habe im Stroh verborgen hatte; während er alles für den Ritt zusammenpackte, sattelte Vator Indeterminist. Er füllte einen Leinwandbeutel mit Eicheln, einen zweiten mit Mais und schnürte beide mit raschen, geübten Handbewegungen an den Sattel.
»Ich bin kein tapferer Mann, Taren«, erklärte der Wirt. »Es tut mir leid.«
Du kommst dir wie ein Feigling vor, Vator? Nun, es gab eine Wohltat, die ein Feigling dem anderen zukommen lassen konnte: Vergebung. »Dir braucht nichts leid zu tun. Mache ich mich eben etwas früher wieder auf den Weg zum Tabernakel der Hand. Hier wollte ich mich ohnehin nicht lange aufhalten«, sagte er und hoffte, daß sich die Worte für Vator nicht so plump anhörten, wie sie in seinen Ohren klangen. Trotzdem, wenn jemand Vator fragte, in welche Richtung Jason sich gewandt hatte, war es besser, daß er nur eine falsche Antwort geben konnte.
Doch welchen Weg sollte er denn nun wirklich einschlagen?
Er schien nur eine Wahl zu haben: den Viehtrieb.
Doch wenn man ihn dort nicht einstellte?
Ungeduldig zuckte er mit den Schultern. Dann war er auch nicht schlechter dran als jetzt. Besser sogar - er hatte Wehnest hinter sich gelassen.
»Alles Gute, Vator.« Sie schüttelten sich kurz die Hände.
Ohne ein weiteres Wort stieg Jason in den Sattel, lenkte Indeterminist vom Hof und dann in raschem Trab die Weststraße entlang. Sollte Vator sehen, daß er die Richtung zum Tabernakel einschlug; sollten es die anderen gleichfalls sehen, damit sie nötigenfalls die Geschichte des Gastwirts bestätigen konnten.
Als die Straßen der Stadt hinter ihm lagen, begann er sich Gedanken über den Proviant zu machen, den er nicht hatte. Dadurch, daß er einen Umweg reiten mußte, würde es einige Tage dauern, bis er die Herde eingeholt hatte, aber wenn er dem Pferd genug Zeit zum Grasen ließ, reichte das Futter in den Satteltaschen für diesen Zeitraum. Und er selbst konnte sich einen Braten schießen, wenn es nicht anders ging.
Erst Stunden später, als er Halt machte, um das Nachtlager aufzuschlagen, entdeckte er in dem Futtersack einen zweiten, kleineren Beutel und darin genügend Zwiebeln, Trockenfleisch, geräuchertes Huhn und gedörrte Möhren für mehrere Tage ...
... außerdem ein abgenutztes Stück Wehnestsilber und einen zerknitterten Zettel mit einer kurzen Notiz in krakeliger Erendra-Druckschrift: »Viel Glück - Vator.«
Er weinte, als er den Zettel ins Lagerfeuer warf.
Falikos, der Viehzüchter, war ein Mann so schlank wie eine Degenklinge, mit dunkelbraunen, fast schwarzen Augen, die Jason durchdringend musterten. »Hilfe kann ich immer brauchen«,
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