Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht
größerer Wirksamkeit.
Trotz allem war es nicht nötig, Caem'l vor den anderen zu demütigen; er sollte Gelegenheit haben, mit Würde und Anstand in den Ruhestand zu treten. Mit soviel Würde, wie sie ein Mann bewahren konnte, der wegen offensichtlicher Unfähigkeit von seinem Posten entbunden wurde ...
Kevalun nahm eine noch straffere Haltung an und richtete den Blick auf einen fernen Punkt. »Zu Befehl, Majestät.«
Er machte auf dem Absatz kehrt und schritt aus der Halle, wobei er sein steifes Bein kaum merklich nachzog.
»Ich weiß nicht, Karl«, meldete sich Ranella zu Wort, die neben dem korpulenten Fürst Harven aus der Baronie Adahan saß, »aber ich finde, daß man auch Adahan seine Selbständigkeit zurückgeben sollte, falls du den Baron überreden kannst, seine Arbeit zu tun, statt sich in Heim ... unterrichten zu lassen.« Die Chefingenieurin legte den Kopf schräg. »Oder warum nicht Harven als Regenten einsetzen? Er kennt seine Pflichten, Karl.«
Für Ranella war er immer Karl. Für Ranella wog es viel schwerer, daß sie beide Ingenieure aus Heim waren - sie eine Meisterin, er Altgeselle - als daß er ein Kaiserreich regierte und sie das Land eines Barons verwaltete. Zumindest war das der Eindruck, den sie erwecken wollte. Vielleicht hatte sie auch nur Spaß daran, einen Kaiser beim Vornamen zu nennen.
Am anderen Ende des Tisches schüttelte Andy-Andy den Kopf. »Mir scheint, das gehört nicht in diese Versammlung«, sagte sie. »Wenn der Kaiser einen Rat oder eine Anregung braucht, wird er uns das wissen lassen.«
Sie bemühte sich um einen ernsten Gesichtsausdruck; Karl nickte zustimmend. Er hatte keine Eile, die holtischen Barone in ihre alten Befugnisse einzusetzen. Nerahans neugewonnene Freiheit reichte durchaus, um die Biemer in Unruhe zu versetzen. Sollten sie sich zuerst einmal daran gewöhnen, bevor er dem nächsten Holtuner die Fußfessel der Besatzungsmacht abnahm.
»Nein, Ranella«, meinte er und schüttelte den Kopf. »Ich sehe keinen Grund, alle Militärregierungen auf einen Schlag abzusetzen. Warten wir ab, wie Nerahan sich bewährt.«
Die holtischen Fürsten waren ausgezeichnete Pokerspieler; nicht auf einem Gesicht zeigte sich ein Lächeln. Thomen Furnaels Stirnrunzeln wurde sogar noch strenger.
Der Einwurf hatte nicht zu Mißklängen geführt, aber dennoch: zum Teufel mit Ranella. Sie war tüchtig, aber nicht in jeder Beziehung. Beim Aufbau der Minen in Adahan und des Stahlwerks in Furnael leistete sie ausgezeichnete Arbeit, aber Karl war oft dankbar, daß der Zustrom von Arbeit, Geld und Waren die Bevölkerung von Adahan friedlich stimmte; Ranella wäre einem Aufruhr nicht gewachsen, und ein anderer Gouverneur hätte das Projekt der Stahlerzeugung nicht so schnell und fachkundig vorantreiben können.
Zum Teil lag es daran, daß sie eine Frau war. Mit der Ausnahme von Klerikerinnen und weiblichen Magiern erwartete man auch auf Dieser Seite von Frauen, daß sie Kinder in die Welt setzten und nicht daß sie ihr Leben mit der Ausübung von Handwerken und Berufen verbrachten.
Es gab eine Entschädigung: Die Frauen, denen es gelang, sich über diese Vorurteile hinwegzusetzen, waren überwiegend allererster Güte. Man brauchte nur Tennetty anzusehen. Obschon sie eine gnadenlose, manchmal sadistische Kämpferin war, hatte nicht Brutalität allein sie befähigt, sich als Befehlshaberin etlicher von Karls Streiftrupps durchzusetzen, sondern man wußte allgemein, daß sie als Strategin so gut war wie sonst kaum jemand.
Natürlich stand sie außerdem noch hoch in der Gunst des Kaisers. Das machte viel aus.
In gleicher Weise hatte Riccetti nie ein Hehl daraus gemacht, wie hoch er Ranella ihrer Intelligenz wegen schätzte, und während die Jahre sie weder mit Falten noch mit einem unansehnlichen Kugelbauch verschont hatten, war ihr Verstand höchstens noch schärfer geworden - aber als ein Werkzeug für den Aufbau, nicht für die Verwaltung.
»Wir werden morgen über deine Verwaltungsarbeit in der Baronie sprechen, Ranella. Du bleibst über Nacht; die Baronie kann noch einen weiteren Tag ohne dich auskommen.«
»Wie du willst, Karl.« Ranella zuckte die Schultern. »Und ...«
»Frau Gouverneur«, mischte die Baroninmutter Beralyn von Furnael sich ein, »wenn ich Seine Majestät mit dem korrekten Titel ansprechen kann, dann dürfte es auch nicht unter Eurer Würde sein.« Karl hatte die leichte Betonung auf dem Personalpronomen wohl bemerkt, doch er sagte nichts dazu. Es fiel ihm
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