Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht
schwer, Beralyn zurechtzuweisen; sie gab ihm die Schuld an dem Tod von Rahff.
Dann sind wir schon zwei, Beralyn. Er schluckte hart. Karl Cullinane hatte in seinem Leben viele gute Männer auf der richtigen Seite einer gerechten Sache sterben gesehen, aber die Erinnerung an Rahff schmerzte immer wieder neu.
Tyrnael schnaufte angewidert. »Das ist ...« Er besann sich rechtzeitig und hüstelte. Nach ein paar tiefen Atemzügen hob er entschuldigend die Hand. »Es tut mir leid, aber in meinem Land sind Menschen grausam ermordet worden, und ihr streitet euch um Titel und die korrekte Form der Anrede?«
Arondael schaute Karl an und wartete dessen Kopfnicken ab, bevor er sich äußerte. »Ich bin einer Meinung mit Baron Tyrnael. Wir sehen uns dem Problem gegenüber, wie wir auf einen Angriff von unbekannter Seite reagieren sollen. Lassen wir also außer acht, wer hier die Etikette verletzt hat, und wer wo regiert.«
Es fiel dem schmächtigen Mann sichtlich schwer, die letzten Worte auszusprechen; daß Nerahan jetzt wieder als sein eigener Herr in der Baronie schalten und walten konnte, hatte ihn arg getroffen.
Während der Holtun-Bieme-Kriege war Nerahan, um Arondael zu Unterhandlungen zu zwingen, auf das scheußliche Mittel verfallen, Gefangene von Katapulten über die Mauern in den Burghof schleudern zu lassen.
Zu den Gefangenen gehörten Arondaels Sohn, dessen Frau und drei ihrer Kinder. Der Krieg bringt die dunkelste Seite der Seele eines Menschen zum Vorschein. Alle waren längst tot, bevor sie auf dem Steinpflaster aufschlugen; alle - alle - waren zuvor in Hörweite der Burg wiederholt von Nerahans Männern vergewaltigt worden, auf Nerahans Befehl.
Arondaels Blick suchte rings um den Tisch nach Unterstützung, die ihm auch zuteil wurde, was Karl keineswegs erstaunte. »Wir müssen den Nyphiern klarmachen, daß wir keinen Angriff hinnehmen, ohne zurückzuschlagen«, fuhr er fort.
Durch seinen ernsten Gesichtsausdruck wirkte Thomen Furnael um Jahre älter, als er war. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und faltete die Hände über dem Leib. »Und was ist, Baron, wenn es nicht die Nyphier waren, die uns angegriffen haben?«
»Na und? Wenn sie es nicht waren?« Der ältere Mann winkte ab. »Es gibt keine Möglichkeit, das mit letzter Sicherheit festzustellen. Aber wissen die Nyphier, daß wir das nicht wissen?«
Andy-Andys Kichern klang etwas gezwungen. »Ich fürchte, ich kann Euch nicht ganz folgen, Baron.«
»Baron Tyrnael? Wenn Ihr gestattet?« Nerahan hob fragend eine Augenbraue. Bei Tyrnaels verblüfftem Nicken fuhr er fort: »Das Problem ist folgendes: Angenommen, der Raubzug wurde tatsächlich von unbekannten Kräften durchgeführt. Nach allen Informationen, die uns zur Verfügung stehen, könnten es durchaus die Nyphier gewesen sein.
Die Nyphier wissen das. Nun, wenn sie merken, daß man, ohne Vergeltung befürchten zu müssen, in Hol... in das Kaiserreich einfallen kann, wird sie das nicht ermutigen? Ob sie nun in diesem Fall die Schuldigen waren oder nicht, werden sie unsere Zurückhaltung nicht als Schwäche auslegen?«
Tyrnael brummte zustimmend. »Genau. Wir dürfen keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß niemand - ganz gleich wer - die Grenze überschreiten und in Bieme sein Unwesen treiben kann, ohne daß wir einen Gegenschlag führen. Sollen die Bastarde ihre Seite der Grenze bewachen, statt Mordkommandos hinüberzuschicken oder«, seine Stimme triefte vor Sarkasmus, »sie unbemerkt an ihren Patrouillen vorbeischlüpfen zu lassen.«
Danach erhob sich ein allgemeines Stimmengewirr, obwohl die Fürsten aus Bieme den größten Teil der Diskussion bestritten.
Karl lehnte sich bequem zurück und ließ den erregten Gesprächen freien Lauf. Tyrnael und Nerahan drängten auf sofortige Vergeltung, Arondael und Ranella empfahlen, die offizielle Erklärung Nyphiens zu akzeptieren.
Die Entscheidung wurde dadurch erschwert, daß Nerahans Argument durchaus stichhaltig war. Generell war es klüger, den Nachbarn zu zwingen, dafür zu sorgen, daß sein Land nicht zum Ausgangspunkt für blutige Überfälle wurde, als zu versuchen, eine Grenze lückenlos zu kontrollieren. Letzteres war zum Scheitern verurteilt.
Besser eine erzieherische Kombination aus Verfolgung und Vergeltung à la Black Jack Pershing oder Ariel Sharon, als eine Flut von Jimmy-Carter-Ermahnungen, bei denen man mit einem Stöckchen drohte, das man nicht zu benutzen wagte.
Generell, wie gesagt. Jeder Fall lag anders: Pershing
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