Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht
freizugeben.«
Adahan nickte, ein wenig traurig. »Und sind wir alle für dich so leicht durchschaubar, Walter Slowotski?«
»Meistens. Du erinnerst mich ein bißchen an Karl.«
»Vielen Dank.«
»Bilde dir keine Schwachheiten ein, Mann: Ich sagte ›ein bißchen‹. Er hat mich einmal wegen ihrer Mutter in die Zange genommen. Auf Ganness' Schiff, um genau zu sein.«
Adahan war Karl in mehr als einer Beziehung ähnlich. Weshalb Slowotski etliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte wie die geladene Pistole an seiner Hüfte und das Seil an der Rahe in halber Höhe des Mastes. Im Falle eines Falles konnte Walter Slowotski sich gleich Errol Flynn durch die Lüfte schwingen und dem jüngeren Mann ausweichen. Nicht ganz die Art, wie Käpt'n Peter Blood solche Dinge zu regeln pflegte, aber durchaus stilvoll.
»Du bist zu verflucht arrogant, Walter Slowotski. Du glaubst, nur weil ich auf Dieser Seite geboren wurde, daß du es mit einem einfältigen Barbaren zu tun hast, ohne Hirn oder Gefühl. Oder Sprache.« Bren Adahan kratzte sich zwischen den Beinen. »Aeia Frau von Bren. Walter lassen Finger von Brens Frau.« Bren Adahan lächelte melancholisch. »So einfach ist es nicht und doch wiederum ganz einfach: Ich liebe sie und möchte von ihr wiedergeliebt werden, aber noch mehr liegt mir daran, daß sie glücklich ist. Denk darüber nach, Walter Slowotski«, sagte er und legte die krampfhaft geballten Fäuste auf die Reling. »Vielleicht sind wir gar nicht so verschieden. - Jedenfalls solltest du sie nicht verletzen, Walter Slowotski. Du solltest sie nicht verletzen.«
Du magst sie wirklich, ja? Oder möchtest du jedermann glauben machen, daß du sie liebst, obwohl du es in Wirklichkeit nur darauf abgesehen hast, eines Kaisers Adoptivtochter zu heiraten?
Vermutlich traf beides zu. Sehr wahrscheinlich sogar, denn wäre Bren Adahan nichts weiter als ein Opportunist gewesen, hätte Ellegon ihn auf irgendeine Weise längst aus dem Spiel genommen. Außerdem war das Gefühlsleben der meisten Menschen alles andere als einfach.
Wieder merkte er, wie sehr ihm Kirah fehlte. Sie war einfach. Nicht dumm, wohlgemerkt, nur einfach. Das Gegenteil von komplex. Und diese Einfachheit hatte einiges für sich.
»Ich werde sie nicht verletzen«, sagte Slowotski. »Nicht absichtlich.«
»Du wirst sie nicht verletzen«, entgegnete Bren Adahan. »Kein zweitesmal.«
Kapitel vierundzwanzig
Ehvenor
Ich weiß ein Ufer, wo der wilde Thymian glüht
und neben Schlüsselblumen das nickend' Veilchen blüht,
wo von Jelängerjelieber ein Baldachin rankt
und der üppige Flor der Heckenrosen prangt:
dort schlummert Titania nächtens in träumendem Glanz,
unter den Blumen eingewiegt von Lichtern und Tanz,
dort läßt die heimliche Schlange ihr schillerndes Kleid
zum schmückenden Festgewand für eine Feenmaid.
William Shakespeare
Unter einem wolkenlosen Nachthimmel voller Sterne und ihren hinterhältigen Vettern, den pulsierenden Feenlichtern, ritt Karl Cullinane mit seinen drei Begleitern nach Ehvenor hinein. Das Schwert hatte er griffbereit am Sattel festgebunden, und seine rechte Hand entfernte sich nie sehr weit von dem Kolben der kurzläufigen Schrotflinte im Gewehrfutteral.
Kethol, der breitschultrige rothaarige Krieger, der an Karls linker Seite ritt, lockerte die Pistole im Halfter. Die Bewegung war nichts als eine nervöse Angewohnheit, das Schulterhalfter mußte nicht eigens hergerichtet werden, um seinen Inhalt freizugeben. »Nehmt euch vor den Verrückten in acht«, mahnte er halblaut. »Sie haben es zwar nicht auf eine Belohnung abgesehen, aber trotzdem sind sie gefährlich.«
»Als wüßten wir das nicht alle«, höhnte Pirojil. Er tippte sich mit einem stumpfen Finger gegen die wulstige Brauenpartie. Pirojil war ein bemerkenswert häßlicher Mann, dessen platte Nase bei einem längst vergessenen Kampf zur Seite geknickt worden war. Karl konnte verstehen, weshalb er sich nie die Mühe gemacht hatte, den Schaden beheben zu lassen. Es hätte auch nichts genützt.
Hin und wieder zuckte Pirojil sichtbar zusammen. Er hatte bei dem Überfall außerhalb von Tinkir, der Aren und Ferdom das Leben kostete, einen Pfeil in den Oberschenkel bekommen, und der kleine Schluck Heiltrank, den Kethol ihm erlaubte, reichte zur vollständigen Heilung nicht aus. Ein anstrengendes Tagespensum aus Reiten und Marschieren hatte nicht eben zu seiner Genesung beigetragen. Doch Pirojil gönnte sich keine Schonung; als Nachhut plagte er sich mit den
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