Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht
Tarnung, wie?«
»Alles zur Tarnung. Folgt mir.« Der Zwerg setzte sich an die Spitze der kleinen Truppe und führte sie zu dem bewußten Schiff.
Kaum wurde der Kapitän ihrer ansichtig, als sein dunkles Gesicht sich grau verfärbte; er wankte und suchte Halt an der Reling, doch griff er daneben und fiel über Bord. Spuckend und um sich schlagend tauchte er aus dem schmutzigen Hafenwasser auf und stemmte sich fluchend an der Kaimauer aufs Trockene.
Unter der Schicht aus schwarz-grünem Modder war das Gesicht des Kapitäns womöglich noch blasser als zuvor.
Walter Slowotski grinste auf Avair Ganness hernieder. Dann wandte er sich an seine Begleiter. »Ich glaube, wir haben soeben ein geeignetes Schiff gefunden.«
Avair Ganness schrubbte sich mit peinlicher Sorgfalt die Spuren seines unfreiwilligen Bades von der Haut, während zwei Matrosen abwechselnd einen Eimer Wasser nach dem anderen über seinen Kopf ausleerten. Sie standen alle am Heck des Schiffes, gleich neben dem Steuerrad. Weiter hinten, auf dem erhöhten Achterdeck, hatte man eine Halte-rung für Fischspeere an den Ständer mit Bolzen für die beiden Pfeilschleudern montiert. Die seidenglatt gespänten Planken fühlten sich heiß unter den Füßen an, als Walter Slowotski aus den Stiefeln schlüpfte. Jemand hatte ihn einmal davor gewarnt, an Bord eines Schiffes auszurutschen.
»Brennen tut's, und stinken. Ich kann mich an Zeiten erinnern, als man aus dem Hafenbecken trinken konnte, und jetzt macht mich schon der Gedanke krank, daß diese Brühe den Rumpf der Glückskind berührt.«
Ahira hinderte ihn daran, das Thema zu wechseln. »Um einen Punkt nicht aus den Augen zu verlieren, Kapitän Gan...«
»Crenneth. Voren Crenneth«, unterbrach Ganness ihn zischend. »Sprich den anderen Namen nicht aus. Ich bin hier in der Gegend keineswegs beliebter als ihr, und ich lege nicht den geringsten Wert auf die Hauptrolle bei einer Exekution im Kolosseum - die Methoden sind immer noch so unangenehm wie damals.«
Walter Slowotski winkte ab. »Uns kommt es einzig darauf an, wie schnell du Segel setzen kannst, um nach Melawei auszulaufen. Du kennst den Grund.«
»Allerdings; ich habe die Neuigkeiten gehört.« Der Kapitän warf das Handtuch beiseite und stieg in eine weite Seemannshose. Er fröstelte in dem frischen Wind.
»Versuch das«, meinte Slowotski, zog eine Flasche mit Riccettis Hausmarke aus seinem Packen und nahm einen tüchtigen Schluck, bevor er sie Ganness anbot.
Der Kapitän beäugte die Flasche mißtrauisch.
Aeia runzelte die Stirn, griff nach der Flasche, trank und gab sie zurück. »Da. Wenn du jetzt davon trinkst, haben wir uns alle drei vergiftet. Falls das Zeug Gift enthält, was nicht der Fall ist.«
»Als kleines Mädchen warst du nicht so frech zu älteren Leuten.« Ganness musterte sie säuerlich und kostete den Inhalt der Flasche, wobei er in wahrscheinlich gespielter Überraschung die Augen aufriß. »Nicht übel.« Er schwieg einen Moment lang. »Ihr könnt nicht wagen, mich zu verraten, ebensowenig, wie ich euch bloßstellen würde.«
Es wurde plötzlich sehr still an Deck. Ohne eine drohende Haltung einzunehmen, war es den meisten von Ganness' Männern gelungen, sich unauffällig dem Heck zu nähern, vielleicht in Beantwortung eines heimlichen Zeichens. Die Temperatur an Deck schien unvermittelt um zwanzig Grad gefallen zu sein.
Walter Slowotski öffnete den Mund, doch Bren Adahan gebot ihm Schweigen.
»Das ist meine Sache«, erklärte Adahan. »Ich erledige das.«
Aeia hob eine Braue; Tennetty schaute zu Walter und deutete ein Nicken an, das er an den Zwerg weitergab.
Ahira traf die Entscheidung. »Nur zu.«
Adahan drehte sich zu Ganness herum. »Ich verstehe Eure Lage, Kapitän ... Crenneth. Der, dessen Namen wir nicht nennen wollen, hat stets mit größter Hochachtung von Euch gesprochen und mir oft erzählt, wie sehr es ihn betrübte, daß Ihr seinetwegen zwei Schiffe verloren habt. Doch Ihr kennt auch unsere Situation und könnt Euch vorstellen, wie ernst und entschlossen wir in dieser Sache vorgehen müssen.«
Ganness musterte Ahira, Tennetty und Slowotski, der sein Bestes tat, stumme Drohung auszustrahlen. Aeias Hand entfernte sich kein einziges Mal von ihrer Tasche mit der geladenen Pistole.
»Ich verstehe«, sagte Ganness.
»Wir erbitten keine Gefälligkeiten«, sprach Adahan weiter. »Wir verfügen über eine beträchtliche Menge Woss, um für die Überfahrt zu zahlen. Außerdem wißt Ihr bestimmt, daß es nicht
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