Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor
sich dabei auf beiden Seiten um nichts anderes als reine Sturheit. Es ist einfach eine Art Verhaltensmuster, das wir in all den Jahren miteinander entwickelt haben. Schließlich würde einer von uns nachgeben, aber ich verwette nicht mein Haus darauf, wer es sein wird.
Ahira und ich standen in der Gischt beim Bug auf dem Vorderdeck. Er hockte auf einer Stufe in der Nähe des Ankers und hatte einen Arm um die Sicherheitsleine geschlungen, während er die Schneide seines Schlachtbeils schärfte. Ich lehnte gegen die Reling und tat nichts Besonderes.
Ahira wetzte die Schneide seiner Axt vorsichtig mit einem Schleifstein. Fssssst, fssssst, ßsssst, fesssst.
»Wenn du so weitermachst, wirst du sie noch so scharf machen, daß du dich damit rasieren kannst«, bemerkte ich.
Er zuckte mit den Achseln. »Eine Axt kann nie scharf genug sein.« Eine zu dünne Schneide konnte zwar im Kampf absplittern, aber mit Ahiras Kraft dahinter machte das kaum einen praktischen Unterschied.
Wenigstens redete Ahira mit mir, auch wenn der sture Bastard mir die Information, die ich von ihm haben wollte, nicht von sich aus preisgab. Bast und Kenda hielten mich für eine persona non grata. Jason war sich bis heute nicht sicher, ob ich uns durch einen genialen Trick mehr Zeit verschafft und uns dadurch auf raffinierte Weise einen Tag geschenkt hatte - oder ob ich feige für nichts und wieder nichts all das verraten und verkauft hatte, wofür Heim stand. Ich hätte mich mit ihm streiten können, aber ich war mir nicht sicher, für welche Seite ich plädiert hätte. Deshalb ließ ich es sein. Andy schlief in ihrer Koje. Tennetty wachte über sie und über Bast und Kenda.
»Das Schiff scheint schneller geworden zu sein, seitdem wir vor Anker liegen«, bemerkte er.
»Ich weiß«, erwiderte ich, »aber das scheint nur so.«
Vor dem Wind zu segeln ist zwar schnell, doch an Bord ist es trotzdem eher windstill und macht keinen Spaß. Je schneller das Boot segelt, desto weniger Freude macht es - je effektiver du den Wind zu nutzen weißt, desto weniger frische Brise hast du an Bord. Du trägst den eigenen Mief mit dir herum. Es fühlt sich an, als würdest du dich selbst überhaupt nicht bewegen, so, al s ob das ganze restliche Univer sum sich um dich bewegt. Langsam und stickig.
Ich ziehe es vor, dicht am Wind zu segeln, mit einer frischen Brise im Gesicht und gelegentlichen Gischtschauern, die mich erfrischen.
Magie und Wahnsinn tobten irgendwo draußen frei in der Nacht, und wir segelten geradewegs hinein.
Wir redeten und behielten die Nacht im Auge. Es gab nicht das geringste zu tun. Die Nacht war klar, und am Himmel glitzerten die Sterne wie Diamanten, die stolz auf schwarzem Samt ausgebreitet lagen. In Richtung Hafen, wo das Sternenlicht über den sanften Hügeln flimmerte, lauerte drohend dunkles Land. Die Schwärze wurde nur gelegentlich durch das Flackern von Laternen oder Feuerstellen hinter einigen Fenstern an Land unterbrochen.
Steuerbords spiegelte sich das Sternenlicht schimmernd und verschwommen auf der dunkelglänzenden, bewegten Oberfläche des Sees.
Ein Seemann sieht nichts als die Oberfläche des Meeres. Er kann sich nur fragen, was unter der Oberfläche warten mag. Dort gibt es eine Menge, das man niemals kennen wird.
Ich glaube, ich werde nie erfahren, wie ich die Sache mit Kirah hätte richtig machen können. Aber vielleicht muß ich gar nicht entscheiden, was richtig ist; nicht im Sinne von Erfolg. Ich mußte vielleicht endlich akzeptieren, daß es nicht ganz der richtige Weg war, die Dinge zwischen Kirah und mir in Ordnung zu bringen, wenn ich mich die ganze Zeit in Eren herumtrieb. Während der Jahre in Endell war alles gut verlaufen. Ich nehme an, weil ich die ganze Zeit dort geblieben war.
Oder vielleicht auch nicht. Möglicherweise brauchten Kirah und ich eine längere Trennung voneinander.
Trotz allem erinnerte ich mich immer noch an sie - wie ihr Haar im Wind wehte, an ihren weichen, warmen Körper. Zu lange ist das her.
Es kommt die Zeit, wo du einfach nur eine Entscheidung triffst und aufhörst, dich wie ein Idiot aufzuführen und so zu tun, als würdest du abwägen und ausgleichen, überlegen und versuchen zu entscheiden, sondern du entscheidest einfach. Gut.
Dann würde ich entscheiden. Genug der Versuche, des Wimmerns, Überlegens und Fragens nach dem Warum. Wenn ich nach Hause komme, sorge ich dafür, daß zwischen Kirah und mir alles klar geht. Punkt. Ich frage nicht wie und frage nicht warum. Ich
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