Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor
zu kommen. Er würde da bleiben, wo er war - oben auf dem Ruderblatt oder wo auch immer. Er würde mich, Tennetty und Jason befreien und dann von mir erwarten, daß ich die Dinge in die Hand nahm.
Wie, zum Teufel, ist er bloß aus dem Wasser gekommen? Ich habe gesehen, wie er im Wasser aufklatschte, um dann wie ein Stein zu versinken.
Später, Walter, später.
Was hatte er bloß so lange gemacht?
Andrea, Jason und Tennetty waren mit dem Heiltrank behandelt worden; jetzt war ich an der Reihe.
Lord Daeran kniete vor mir. »Eure Heiltropfen. Dann werdet Ihr sprechen. Ich garantiere Euch, daß Ihr reden werdet.« Er hielt mir den noch warmen Flaschenhals an den Mund und stieß ihn kräftig gegen meine Zähne.
Ich machte mir nichts daraus. Der viel zu süße Geschmack des Heiltranks wusch das Blut aus meinem Mund; meine Schmerzen und Qualen wurden schwächer und schwächer.
Keine Zeit, sich jetzt darüber zu freuen. Ich knüpfte eine Schlinge in das eine Ende des Lederriemens und zog das andere Ende hindurch.
Lord Daerans Augen weiteten sich, als ich die Schlinge um seinen Hals schlang und im Nacken fest zusammenzog. »Jetzt!« rief ich, wenn auch überflüssigerweise.
Keine Zeit, um ihn endgültig zu erledigen - ich stieß ihn beiseite; dann ließ ich mich auf den Boden zu unserer Ausrüstung gleiten. Tennetty, die das Messer in der ausgestreckten Hand hielt, war hoch über mir und ließ sich auf einen Soldaten fallen, der ein bißchen zu langsam reagierte. Ich glaube, sie schnitt ihm die Kehle durch. Sein gellender Schrei durchdrang mein Ohr.
Auch keine Zeit zum Denken; ich mußte das alles erfolgreich zu Ende bringen, und zwar mit Instinkt.
Zuerst ließ ich das Schwert mit dem Griff voran zu Jason schlittern. Dann packte ich den Soldaten, der über Andy gebeugt stand, so heftig, daß sogar Trainer Fusco zufrieden gewesen wäre. Dieser Hurensohn hatte mir immer unterstellt, daß ich es mir als Quarterback zu einfach gemacht hätte. Zum Teufel mit ihm.
Und zur Hölle auch mit dem Soldaten. Mein Angriff hatte ihn so weit zurückgeschleudert, bis die Reling ihn quer über den Nieren traf und stoppte. Seine Arme flogen zur Seite, als der krampfende Schmerz ihn überwältigte.
Noch immer waren wir unterlegen. Selbst mit Ahira im Rücken würden wir keine Chance haben, wenn nicht ... zuerst mußte ich Andy befreien, und sie müßte ...
Natürlich. Traue deinen Freunden. Aus den Augenwinkeln sah ich den Segelbaum und hörte in einem Winkel meines Bewußtseins Ahira auflachen.
»Tennetty, Jason - runter!« brüllte ich. Der schwarze Schatten schoß auf mich zu. Ich duckte mich und kroch in Andys Richtung, als der Baum - angestoßen von unglaublich starken Zwergen muskeln - knapp über das Deck fegte und die Soldaten hinwegschleuderte, während die Seeleute sich instinktiv bückten.
Ich schnappte ein Messer und gelangte an Andys Seite. Ein Schnitt, eine Drehung - und sie war frei. Ihre Finger zerrten schon am Knebel, gleichzeitig riß ihr Fußfeger den Soldaten von den Beinen, der sie hatte packen wollen.
Sie sprang auf die Füße, und mit weit geöffneten Armen stieß sie eine einzige Silbe aus.
Das verblassende Tageslicht schimmerte rötlich, und über uns wurde der Himmel dunkel.
Die Zeit schien einzufrieren. Mein Herz hatte schnell und hart geschlagen, aber jetzt hörte ich bei jedem Schlag ein langsames, doppeltes Ächzen.
Uaa-ssunnnnk.
Dann eine lange Pause.
Uaa-ssunnnnk.
Noch konnte ich denken, noch konnte ich sehen, aber ich hätte mich nicht mehr schnell fallen lassen können. Wir klebten alle wie in einem zähen Brei: Tennetty, die ihr Messer erhob, konnte den Säbel nicht sehen, der nur wenige Zentimeter von ihrem Rücken entfernt war, um sie aufzuspießen; Ahira hielt mit der einen Hand eine blutige Masse fest, die einmal das Gesicht eines Soldaten gewesen war, und mit dem anderen Arm quetschte er den Brustkorb eines weiteren Soldaten so stark zusammen, daß die Rippen brachen; Jason, mitten im Angriff auf den Bauch des größten Soldaten, sah mit finsterer Miene eine weitere Klinge auf sich zukommen.
Wir alle waren in der roten Zeit gefangen, außer Andy.
Sie überquerte ungestört das Deck, weit nach vorn gebeugt, als würde sie sich gegen einen starken, aber gleichmäßigen Sturm stemmen. Den Säbel, der Tennetty bedrohte, schlug sie im Vorübergehen beiseite.
Als sie ihren Sohn erreichte, fegte sie die angreifende Klinge fort. Dann legte sie einen Finger auf jede Seite des Soldatenkopfs
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