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Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Titel: Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Rosenberg
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hier mit uns sitzen möchtest.«
    »Ich werde dich anhören«, antwortete Andrea. »Aber nur kurz.« Sie wandte sich zu der dritten Gestalt um, die wie die anderen aufgestanden war und ihre Kapuze abgenommen hatte. Obwohl ihr Haar zu einem festen Knoten zusammengebunden war, hätte sie sehr liebreizend aussehen können, wäre nicht ihr rechtes Auge gewesen, das unbewegt, tot und blind geradeaus starrte.
    Sie öffnete ihre braune Robe, um darunter ein ehemals weißes Gewand zu enthüllen. Trotz des Widerspruchs mit dem Auge wußte ich, was das bedeutete.
    Scheiße.
    »Ich habe weder einen Namen, noch werde ich von jemandem gerufen«, sagte sie mit einer schönen Altstimme. »Aber ich bin von der Heilenden Hand.«
    Das war doppelte Scheiße.
    Die erste Scheiße: Ich mochte die Hand nicht; und zwar aus persönlichen Gründen. Sie hatten uns Dora für mehrere Jahre fortgenommen und niemals wirklich zurückgegeben. Sie hatte ausbrechen müssen und dies nur knapp geschafft. Wir waren einander noch einmal begegnet. Ihr Geist war fast ausschließlich mit dem kollektiven Bewußtsein verschmolzen. Ich wußte, das war ein Teil, woraus sie ihre Kraft bezogen, die sie die Heilende Hand nannten. Gerade das befähigte sie auch dazu, wie ein Kanal für deren Segenswünsche und Bedürfnisse zu handeln. Aber ich mußte es nicht mögen, und ich mochte es auch nicht.
    Die zweite Scheiße: Es schien so, als ob die Klerikerinnen der Hand mehr Macht entwickeln konnten, wenn sie ihre Identität aufgaben. Die Höherrangigen von ihnen waren nur durch ihre Titel bekannt. Sie hatten ihre eigenen Namen aufgegeben. Nach Aussage von jemandem, der es wissen sollte, hat die Matriarchin selbst nichts mehr von ihrer eigenen Persönlichkeit an sich, sondern ist nur noch eine Reflektion des Gesamtbewußtseins der Hand. Das erscheint mir gespenstisch. Vor Jahren war ich einmal mit der Matriarchin zusammengetroffen. Sie konnte meinem eigentlich doch so charmanten Ego offenbar nicht viel abgewinnen. Und aus irgendeinem Grund fühlte ich mich in der Anwesenheit von jemandem mit großer Macht, der mich stark ablehnte, äußerst unwohl. Das war schon immer so gewesen, bis zurück in meine Unizeit, wo ich einen Zusammenstoß mit dem Rektor wegen eines Vorfalls hatte, an dem ein wasserstoffgefüllter Basketball und ein Bunsenbrenner beteiligt gewesen waren.
    Meinetwegen kann man mich auch wählerisch nennen.
    Andrea deutete an die Stelle, wo die Sklavenhändler ihr Lager aufgeschlagen hatten. »Und diese dort?«
    »Sie gehören zu mir«, sagte Vair. »Ich brauchte eine Leibwache. In Pandathaway haben die Sklavenhändler und meine Zunft ein ... ständiges Abkommen.« Er neigte den Kopf leicht zur Seite. »Du scheinst überrascht zu sein, uns zu sehen; denkst du etwa, daß ihr die einzigen seid, die an einem derartigen Ereignis interessiert sind?«
    Nareen hob an zu sprechen. »Ich habe hier seit mehr als einem Jahr gewartet«, sagte er, »und von Wurzeln und Blättern gelebt, um die Veränderungen dort unten zu beobachten. Ich habe gewartet, um mehr zu lernen.« Er wies auf die flackernde Stadt. »Als ich ankam, war es nur im Zentrum. Wenig von dem ...«
    »Dort«, sagte Vair, und wies auf etwas. »Noch ein weiterer.«
    Ich blickte in die Richtung, in die der Finger wies, sah aber nichts.
    Auch Andy konnte nichts sehen. »Was für ein weiterer?«
    Vair zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? Etwas wurde aus dem Schatten freigelassen, um in die Nacht zu schreiten. Es war dunkel und unförmig, am Rande des Sichtbaren, und nun ist es in der Dunkelheit verschwunden.«
    Nareens Augen folgten etwas, das ich lange Zeit nicht sehen konnte, aber dann zuckte er mit den Achseln. »Es kann alles mögliche sein. Eine Fee, die Gestalt annimmt, eine Gestalt, die eine Identität annimmt, eine Sage, die zur Wirklichkeit wird.« Seine Augen blickten suchend und fingen Andreas Blick ein. »Ich sah zwei Drachen auffahren und davonfliegen, ein Dutzend Fluchtgestalten, die in die Nacht hinauswanken, und eine Unmenge von großen, haarigen Wesen, die wie Menschen aussahen, aber sogar noch häßlicher als diese waren.« Vair beobachtete die Stadt, die in diesem Augenblick besonders intensiv flackerte. »Dort. Ein Glimmen, ein Flackern, ein Vorgeschmack auf den Platz An-Dem-Die-Bäume-Schreien.«
    Die Frau von der Heilenden Hand strich mit einer Bewegung durch die Luft. »Möglich. Ich weiß, daß ich vorhin bei einem kurzen Aufblitzen eine Gebirgswiese sah, irgendwo außerhalb von

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