Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor
sein.«
Jason räusperte sich. »Und was ist mit mir?«
Ich lächelte. »Aber du brichst doch morgen auf?«
Er spreizte die Hände. »Schön. Eine Lektion für mich. Darf man fragen, zu was sie gut ist?«
»Ich dachte, das wäre klar.« Ahira seufzte. »Wenn wir hier sind, bist du Baron Cullinane, und wir sind Gäste in deinem Haus. Gut. Kein Problem. Aber sobald wir unseren Fuß vor diese Mauern setzen oder auch nur vorhaben, das zu tun, sind wir nicht mehr deine Gäste oder deine Diener, sondern deine Partner.«
»Nenne es ›Seniorpartner‹«, fügte ich hinzu. »Und außerdem ›Lehrer‹. Der Zwerg und ich sind dir nicht nur um ein paar Jahre, sondern auch um eine Menge Erfahrung voraus.«
Er stand für einen Augenblick da und schwieg, und ich fragte mich ernsthaft, wie das weitergehen würde. Ich meine, als ich siebzehn war, konnte ich es nicht so gut verkraften, in aller Öffentlichkeit zurückgestellt zu werden.
Wenn ich es mir recht überlege, gefällt mir das noch immer nicht. Ich nehme es nicht einmal dann gern hin, wenn ich unter vier Augen gemaßregelt werde.
»Gute Reise«, sagte er, drehte sich um und ging weg.
Tennetty spuckte auf den Boden. »Arschloch.« Ich hätte gerne gewußt, ob das Jason oder Ahira und mir galt, aber ich fragte nicht. Stell keine Frage, wenn du die Antwort nicht hören willst.
»Nicht fair«, sagte Andrea Cullinane von hinten. »Trotzdem, danke.«
Ich sprang ein Stück in die Höhe, als ob sie mich erschreckt hätte. Tennetty legte den Kopf argwöhnisch auf die Seite, was Ahira nicht erst tun mußte.
Ich kicherte. »Ich habe das nicht gemacht, damit du ihn noch etwas länger hier hast. Ich habe es für meine eigene zarte Haut gemacht. Wenn Jason mit uns loszieht, muß er zuverlässig werden.« Außerdem mußte er die Dorfvorsteher unterhalten.
Und vielleicht hatte ich noch nicht vergessen, daß der Junge einmal weggelaufen war, als es darauf ankam - na gut, unmittelbar nachdem es darauf angekommen war - , und daß er dabei einigen Leuten einen ganzen Sack voll Schwierigkeiten aufgehalst hatte.
Sie trug wieder ihre neue Lederkleidung und darüber einen passenden schwarzledernen Reisemantel, dessen geschwärzte Oberfläche dennoch nicht glänzte. Sie hatte eine Tasche über die Schulter gehängt, und unter dem aufgeknöpften Mantel sah man eine Steinschloßpistole an jeder Hüfte, wobei die linke mit dem Griff nach vorn zeigte.
»Warum hast du dich verkleidet?« fragte ich, als wüßte ich es nicht.
Ihr Blick wurde leer und richtete sich in die Ferne, was mir gar nicht gefiel. »Ich muß hier einmal rauskommen, sonst werde ich noch verrückt.« Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie ihn frei machen.
»Es hat Gerüchte gegeben«, fuhr sie fort, »über Dinge, die aus Faerie hervorbrechen, und über Tiere, die in Stücke gerissen wurden. Und dann gab es das riesige Ding - was immer es war - , das Jason und Tennetty bei den zerspellten Inseln begegnet ist. Ihr werde t mich vielleicht brauchen.«
»Wahrscheinlich war's ein Wolfsrudel.«
Magische Kreaturen und Menschen kommen für gewöhnlich nicht miteinander aus, und nur wenige bleiben überhaupt in Eren. Zwar kursieren immer Geschichten, doch meistens sind es eben einfach nur Geschichten. Ich war an so vielen Legenden bildungen beteiligt, daß ich weiß, wie unsinnig sie sein können.
Sie legte den Kopf auf die Seite. »Und was, wenn es nicht nur ein Wolfsrudel ist? Was wollt ihr dann machen?«
Was, zum Teufel, erwartete sie? »Ich werde wie ein Verrückter rennen, was denn sonst.«
Ich hatte mir schon heute früh überlegt, Andy bei solchen Unternehmungen erst mal nicht dabeizuhaben, denn alles sprach dafür, Andy vorläufig besser zu schonen, ungeachtet Dorias Theorien.
Paß auf: Einmal angenommen, es steht in der Welt, in der wir leben - und den Situationen, in denen wir waren -, nichts in Zusammenhang damit, daß viele Frauen, die ich kenne, vergewaltigt worden sind. Einen gewissen Schutz vor solchen Überfällen bietet eine vergleichsweise moderne Erfindung - nur ist in den meisten Gesellschaften äußerst fraglich, wer außer der Frau noch erniedrigt würde. (Wir sind es gewohnt, über die Andere Seite zu sprechen, als ob dort alles richtig wäre, aber in dem Land, in dem ich geboren wurde, sind Überfälle ein Verbrechen gegen den Staat und nicht gegen die Person, und der Staat entscheidet, ob er die Sache verfolgt oder nicht. Ja, ich weiß.)
Alles läßt Narben zurück. Kirah hat ihre Probleme.
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