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Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Titel: Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Rosenberg
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Wandschrank hinüber, zog mir schnell Unterwäsche, eine schwarze Lederhose, ein weites schwarzes Baumwollhemd und - ich fürchte, ich sah wie Johnny Cash aus - einen langen braunen Hausmantel an, den ich locker mit einer geschwärzten Messingspange vor dem Brustbein schloß. Dann zog ich eine Rose aus der Vase von unserem Nachttisch, roch einmal daran und schob sie unter die Spange. Dabei begutachtete ich mich im Garderobenspiegel.
    Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich den Gesellen mit dem stechenden Blick mochte, der mich dort anschaute, obwohl er eine stattliche Erscheinung war.
    Tatsächlich sah er verdammt gut aus, mit ebenmäßigen Zügen, und er hatte einen interessanten asiatischen Einschlag in den Augen, eine schöne, bäuerliche Kinnpartie und einen klugen Mund unter dem F u-Manchu-Schnurr bart. Er war gut über vierzig, hatte aber nur ganz feine Linien in den Augenwinkeln. Der Anflug von Grau an den Schläfen wirkte sehr kleidsam. Nur schade, daß das Grau genauso schräg war wie sein Lächeln.
    Das viel zu selbstsichere Grinsen ließ deutlich werden, daß er überreichlich Zeit damit verbrachte, mit sich selbst zufrieden zu sein. Aber es war mir nicht klar, ob sich in seinem Gesicht genug Charakter fand, um das zu rechtfertigen.
    Es war durchaus möglich, daß er daran dachte, mit einer besonders attraktiven, alten Freundin auszugehen und wie er - ihrem Sohn hatte er auf listige Weise ausgeredet, sie zu begleiten - bei ihr landen konnte.
    Es war auch möglich, daß er daran dachte, wie falsch es war, solche Dinge in Anwesenheit seiner Frau zu erwägen. Ich bezweifle es aber. Wie gesagt, ich war mir nicht ganz sicher, ob ich diesen Burschen mochte.
    »Woran denkst du?« fragte sie ganz so, als wären wir ein normales Ehepaar, das sich derartige Fragen stellen konnte und eine aufrichtige Antwort erwartete.
    Kirah, dachte ich, was ist mit uns geschehen?
    »Na ja«, antwortete ich und setzte mein gewinnendes Lächeln auf, »ich denke, ich bin praktisch nackt.« Das lag nahe bei der Wahrheit.
    Ich ging zur Kommode hinüber und legte meine Waffen an: Wurfmesser in ihren Scheiden, Pistolen in ihren Halftern, einen breiten Gürtel mit Kurzschwert und meinem langen, spitzen Dolch. Ich weiß, daß ein Bowiemesser eine bessere Waffe ist, aber ich bevorzuge den Dolch. Es lebe die Tradition.
    Außerdem habe ich mich an das Ding gewöhnt.
    Ich rollte meine Jagdweste ein und klemmte sie unter einen Arm. Die therranjschen Garrotten steckten in zwei meiner Taschen.
    Sie legte ihr Strick- oder Flickzeug, oder was es sonst war, beiseite und ging in die Ecke zu der Schneiderpuppe mit dem Chiffonkleid.
    »Hier«, sagte sie und reichte mir einen vollen Lederrucksack, »Kleidung, etwas getrocknetes Rind, einige Süßigkeiten, alles was du brauchst.« Sie lächelte zu mir auf. »Fast alles.«
    Ich stopfte die Weste in den Rucksack und hängte ihn über eine Schulter. »Danke.« Ich küßte meine Fingerspitzen und berührte die Luft vor Kirah.
    Sie kam meiner Hand entgegen und schluckte ein-, zweimal hart. »Wirst du bald zurück sein?«
    Natürlich, hätte ich sagen sollen. Mach dir keine Sorgen. »Möchtest du das?«
    »Ja.« Sie nickte. »O ja, das möchte ich.«
    »Warum nicht? Gut.«
    Sie blickte erwartungsvoll zu mir auf. Es spielte keine Rolle, wie oft es schon schiefgegangen war, immer dachte ich, wenn ich langsam und vorsichtig genug vorging, wäre es für sie in Ordnung. Dieses Mal wäre es in Ordnung gewesen.
    Ich Idiot.
    »Es ist gut, Kirah«, sagte ich und legte meinen Arm um sie. Für einen winzigen Augenblick dachte ich, es wäre alles in Ordnung und sie könnte sich wieder von mir berühren lassen.
    Aber sie schüttelte zunächst abwehrend den Kopf und dann nochmals gequält. Dann setzte sie mir die Hände auf die Brust und stieß mich fort. »Nein.«
    Ich verließ das Zimmer und überhörte den Schluchzer hinter mir.
    Verdammt, es ist nicht meine Schuld.
    Unten in den Ställen wartete ein Abschiedskomitee auf uns: Doria, Aeia, Durine, Kethol und Pirojil. Bren Adahan war zurückgelassen worden, um den Dorfwachen Gesellschaft zu leisten.
    Die Reitpferde waren schon gesattelt, und das Pferdegespann war an den Wagen geschirrt.
    Ich blieb bei der gescheckten Stute stehen, die Tennetty für mich ausgesucht hatte, um meine Sattelgurte zu überprüfen und eine Mohrrübe für das Pferd hervorzuholen, bevor es ans Ende des flachen Jagdwagens gebunden wurde. Ich würde das Gespann fahren, aber ich wollte außerdem ein

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