Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor
Intensität, die beinahe als erotisch zu bezeichnen war. Oder vielleicht nicht nur beinahe - ich weiß nicht viel über Magie.
Als sich die Kreatur zu einem Sprung duckte, ließ Andrea Lichtstrahlen zwischen ihren Fingern hervordringen.
»Hebe dich fort, befehle ich dir zum dritten und letztenmal.«
Sie senkte die Stimme, und der Lichtstrom versiegte langsam. Zuerst dachte ich, daß der Spruch nicht wirken würde, aber nein, das Trommeln wurde lauter und schärfer. Lautstärke, Anschlag und die Kraft der Trommel wurden eindringlicher, bis es wie ein Gitarrenriff von Jimi Hendrix klang.
Das Trommeln trieb das Wesen zurück.
Andy streckte die Finger aus und sammelte schwelende Stränge goldenen Dunstes auf. Geschickte Finger, unmenschlich stark und fein, woben die Stränge zu einem Strom geflochtenen, beweglichen Lichts, das von ihren Fingern rann und gegen das Wolfswesen brandete. Wo es vom Strom berührt wurde, loderte es auf und verschleuderte Brocken schwelenden Fleisches in die Luft.
Ich brachte Ahira zu Fall und preßte ihn und Tennetty zu Boden. Andrea schrie harsche, dissonante Silben, die sich kein Mensch merken kann; ihre Kraft wuchs gewaltig und kam auf die Welt herunter. Licht gleißte so hell, daß ich die Augen bedecken mußte.
Gerade noch rechtzeitig. Selbst durch meine schmerzhaft zusammengepreßten Lider blendete mich der Blitz, und Hitze wusch wie eine Welle über mich hinweg.
Das Schlimmste auf der Welt ist, während eines Kampfes blind zu sein. Ich zwang mich, die Augen zu öffnen.
Andy stand auf einem Erdhügel, der aus einer von zwei unregelmäßig geformten Lavapfützen herausragte. Schweiß strömte über ihr Gesicht. Über der anderen Pfütze schwebte eine finstere Wolke, die sich bereits auflöste.
»Hebe dich fort, auf mein Wort«, sagte Andrea ruhig.
»Für hier und jetzt«, fuhr die Wolke mit dunkler, unwirklicher Stimme fort. »Aber du hast mir den Spaß verdorben. Vielleicht werde ich dir eines Tages deinen verderben.«
Andrea murmelte etwas, sah dann erwartungsvoll auf. Nichts geschah. »Wer bist du?« fragte sie.
Die Stimme lachte. Es war kein freundliches Lachen. »Nicht alle deine Gesetze funktionieren bei mir, nur einige. Ich werde dir keine Handhabe geben, mich festzuhalten oder zu formen. Oh, rufe mich mit Boioardo, obwohl das niemals mein Name war und auch jetzt nicht ist.«
Sie murmelte einen weiteren Spruch und hob die Hand, deren Finger schwerfällig gekrümmt waren.
»Oh, gib mir noch etwas Zeit«, bettelte Boioardo, »vielleicht kommt es dir zugute, wenn wir uns an einem Ort mit anderen Regeln treffen sollten.«
Faerie? dachte ich. »Nein, Andy, bring es jetzt zu Ende.« Tennetty kam langsam zu sich. Ich umschlang sie mit dem Arm und war bereit loszurennen. Ich kann besser laufen als der Zwerg - aber wenn Andy das Wesen nicht halten konnte, waren wir alle geliefert.
»Oh, du bist immer so schlau, Walter Slowotski aus Secaucus. Wirst du auch an dem Platz-An-Dem-Die-Bäume-Schreien oder an dem Ort-Wo-Nur-Das-Was-Du-Geliebt-Hast-Dir-Helfen-Kann so schlau sein?«
»Selbstverständlich.« Ich setzte ein Lächeln auf. Angabe ist immer ein billiges Vergnügen. »Ich werde sogar noch gerissener sein. Das gehört zu meinem Charme.«
Vielleicht wurde es doch kein billiges Vergnügen - die Dunkelheit rückte auf mich zu.
»Nein! Verschwinde!« rief Andrea und streckte die Finger aus. Sie murmelte ein anderes Wort, und Wind blies die Finsternis in das Licht der untergehenden Sonne.
Es war fort. Wir standen allein in der Dämmerung. Kleine Rauchfahnen stiegen vom Feld auf. Ahira hatte sich über Tennetty gebeugt und versorgte ihre Wunden, Andrea stand auf dem Erdhügel, der sich über der abkühlenden Lavapfütze erhob. Ihr Gesicht war gerötet und ihr ganzer Körper schweißbedeckt.
Geschmeidig drehte sie sich um, schwebte wie ein Tänzerin. »Liebe Freunde, ich glaube, darauf genehmige ich mir ein Bravissimo!« Mit Leichtigkeit setzte sie über die Lava, machte drei Schritte auf uns zu - und fiel in Ohnmacht.
Kapitel sieben
In dem Ellegon erscheint und auf eine Verpflichtung hinweist
Ich war erfreut, sofort antworten zu können, und tat es. Ich sagte, ich weiß es nicht.
-MARK TWAIN-
Ich mochte stets Robert Thompsons Idee, Kompromisse zu vermeiden, um der Person mit starker Überzeugung ihren eigenen Weg zu lassen ... und dann begriff ich, daß es Leute dazu ermunterte, eine starke Überzeugung zu haben, wenn sie nicht genug Informationen besaßen.
- WALTER
Weitere Kostenlose Bücher