Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor
SLOWOTSKI -
Es lag ein heller, goldener Schleier auf der Wiese. Das Korn war so hoch wie ein Elefantenauge - zugegeben, es mußte ein kleiner Elefant sein, und vielleicht müßte der Kritiker ein bißchen in die Hocke gehen. Und - keine Scheiße, ich war da - es sah aus, als würde es direkt in den Himmel emporschießen.
»Scheißmorgen«, murmelte ich halblaut. Ich hasse den Morgen. Ich habe auch nie viel von Oklahoma gehalten.
Gut, wir brauchten jemanden, der Wache hielt. Aber warum ich? Zwar hatte Tennetty sich verletzt und wollte nicht mehr vom Heiltrank vergeuden als notwendig - der Stoff war schließlich teuer, sicherlich mehr wert als mein nächtlicher Schlaf. Auch Andy war erschöpft, und außerdem besaß sie nicht die Wachsamkeit für die Umgebung wie der Zwerg und ich.
Dieser Prozeß des Ausschlusses ließ nur noch den Zwerg und mich übrig, doch wie gewöhnlich war mal wieder ich der Angeschissene. (Ich will mich nicht beklagen, denn dies mal mußte ich nicht allein die Suppe auslöffeln.) Als Ahira und ich die Nacht aufteilten, glaubte ich zuerst, die bessere Hälfte erhalten zu haben. Aber wenn ich zu dieser frühen Morgenstunde darüber nachdenke, hatte ich wohl doch kein gutes Geschäft gemacht.
Wir lagerten am Rand des Waldes; eine provisorische Warnanlage schützte uns vor wem oder was auch immer, das hinter uns herumschleichen mochte, und ein einzelner Wächter, nämlich ich, sch ützte unsere Vorderfront. Außen dienst ist eine gute Übung in praktisch angewandter Paranoia.
Zeit zu sitzen, zu wachen und nachzudenken, während die Morgendämmerung allmählich in den Tag übergeht.
Nachts kann man über vieles nachdenken. Zu vieles.
Was auch immer an der Grenze zu Faerie geschah, war zu unserem Problem geworden. Es hatte sich ganz in der Nähe ereignet. Nicht, daß ich etwas dagegen hätte, wenn sich magische Monster anderswo mit Leuten messen, denn die Welt ist groß, und mich wird es nicht so schnell treffen. Doch meine Frau und meine Kinder befinden sich augenblicklich in der Baronie Cullinane. Und da Boioardo, was immer er oder es auch war, in ebendieser Baronie Cullinane herumlungerte, war diese Sache unweigerlich eine persönliche Angelegenheit.
Trotzdem wäre es kein Beinbruch, einige Zeit in der Nähe der Baronie zu verbringen, anstatt sich vorschnell in Schwierigkeiten zu stürzen. Man konnte doch darauf warten, bis sich alle im Schloß eingelebt hatten, und dabei die Ohren für jede Neuigkeit offenhalten. Währenddessen kon nte Ten netty gesund werden, und wir mußten nicht für sie die teuren und seltenen Heiltränke verbrauchen. Weiterhin könnte ich so auch etwas mehr Zeit mit Bogen, Schwert und Pistole verbringen. Denn mein Wahlsprung lautet: Lieber sitzen als laufen, lieber laufen als kämpfen, doch lieber kämpfen als sterben.
Vielleicht gab es da einen Ausweg. Denn wenn du ein Problem lange genug auf sich beruhen läßt, löst es manchmal ein anderer für dich - so drehte Präsident Reagan Däumchen über dem Osirak-Reaktor bei Bagdad, bis die Israelis das Problem für ihn aus der Welt schafften.
Ich wäre unheimlich glücklich, wenn etwas Entsprechendes geschähe. Denn Magie und Menschen scheinen nicht miteinander auskommen zu können, was wohl einer der Gründe sein könnte, warum wir uns auf der Anderen Seite in eine andere Richtung entwickelt haben, und warum das Weltliche dazu neigte, das Magische aus Eren-Gebieten zu vertreiben. Es gab einmal das Zeitalter der Drachen, als Wolken von ihnen den Himmel verdunkelten - wenn man den Legenden Glauben schenken will.
Ich wußte nicht, was der kleine Junge von Stash und Emma tun konnte, um die Wiederkehr solcher Dinge aufzuhalten, selbst wenn ich mich in den Mittelpunkt all dieser Geschehnisse stellen wollte. Das war so, als versuchte man den Ölfluß aufzuhalten, indem man seinen Finger in das Loch der Pipeline steckte.
Wenn man ein Problem lange genug auf sich selbst beruhen läßt, wird es manchmal ein anderer für einen lösen.
Wie das mit Kirah?
Du bist wirklich verdammt schlau, davon die Finger gelassen zu haben, Walter, dachte ich.
Was sollte ich tun? Sie zugunsten von Ae ia fallen lassen? Richtig, das wäre bestimmt das Beste für Kirahs geistige Gesundheit. Sie zu einer Entscheidung zwingen? Es kommt mir einfach nicht in den Sinn, meine Hände an eine Frau zu legen, die zurückschreckt, wenn ich sie berühre - und wenn jemand nicht sprechen möchte, kann man ihn auch nicht dazu zwingen.
Ich seufzte. Ich fand da
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