Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor
übernehmt den Belagerungsturm, klettert hinauf und legt ein Kabel durch alle vier Käfige«, erklärte ich. Ich stippte das andere Stück Brot in ein Gefäß mit goldgelber Butter und biß hinein. Hmm ... es war schwer zu sagen, welcher Weg der bessere war. Mit zwei Bissen schlang ich die beiden Hälften des Brötchens hinunter. »Dieses Kabel spleißen wir und binden die Enden zusammen. Währenddessen wickle ich Zündschnur um den Sockel von jedem Pfosten und zünde die Lunte an. Kurz bevor die ganze Chose explodiert, stößt Ellegon vom Himmel herunter und packt sich das Durcheinander, gerade in dem Moment, wenn der Sprengstoff die Pfosten umlegt.«
Jason verzog angeekelt das Gesicht. Andy schüttelte den Kopf.
»Ich denke, damit werden einige Probleme verbunden sein«, meinte Ahira trocken.
»Nur ein paar«, beschwichtigte ich. »Erstens haben wir kein Kabel, und zweitens hat Lou das letzte Mal, als wir darüber sprachen, versichert, daß er meilenweit davon entfernt sei, Zündschnur oder auch nur ein Plastiksprengstoffäquivalent herstellen zu können; also funktioniert dieser Teil des Plans nicht. Die Handvoll Granaten, die wir haben, genügen natürlich nicht.
Drittens gibt es für die nächsten achtzehn Tage keine Verabredung mit Ellegon, so daß wir vorher nicht mit ihm rechnen können.
Viertens gibt es dort draußen viel zu viele Soldaten, und die haben uns schon von der Matte gefegt, bevor wir irgend etwas erreichen können.«
Auf einem der Serviertabletts war eine Pyramide aus drei mickrigen, gegrillten Hühnchen aufgebaut. Ich nahm mir das oberste und riß die Keule ab. Sie löste sich zu leicht; entweder hatte man den Vogel zu lange gekocht, oder ich war muskelbepackter, als ich zugeben wollte. Nicht, daß es mich gestört hätte: die Haut der Keule war kroß und schmeckte nach Knoblauch, und das Fleisch war saftig und fest.
Tennetty stürmte durch die Türen herein, schloß sie hinter sich und nickte kurz, während sie am Tisch Platz nahm und sich über einen Laib Brot hermachte. »Passage für acht Leute auf der Delenia«, sagte sie mit vollgestopftem Mund. »Wir legen morgen mittag ab.«
»Wann können wir an Bord gehen?«
»Jederzeit am Morgen, vom ersten Tageslicht an. Trotzdem gibt es da ein Problem: Das Schiff liegt zu tief für die Hafenanlage. Deshalb wird es heute hinaus zu einem Ankerplatz gefahren, wo es zu Ende beladen werden soll. Das lange Hafenbecken muß ausgebaggert werden, weil es immer weiter verschlammt. Lord Daeran hatte Probleme mit der letzten Gruppe von Schlammarbeitern.«
»Können wir mit Barkassen dort hinkommen?«
Sie nickte zustimmend. »Ja, sogar mit denen der Delenia. Es sind zwei. Jede kann acht Leute befördern, einschließlich der Crew. Nach Sonnenuntergang werden beide am Hafenbecken bereitliegen.«
Andrea hatte es sofort begriffen. »Wir haben das schon einmal gemacht«, sagte sie. »Einen Tag, nachdem wir auf Dieser Seite angekommen sind.«
Wenn wir erst einmal auf dem Schiff in Sicherheit sind, werden wir, genauso wie der Kapitän, großes Interesse daran haben, den Ort so schnell wie möglich zu verlassen. So war es auch damals mit Avair Ganness und der Ganness' Pride gewesen. »Das läßt mich fast nostalgisch werden.« Ihr Lächeln erhellte den ganzen Raum, als sie nach einer Hühnerbrust langte und ihre starken weißen Zähne hineingrub. »Was ist mit dem anderen Teil des Plans?«
»Das kennen wir alles schon«, meinte ich schulterzuckend. »Ahira und ich haben das auch einmal gemacht, was damals damit endete, daß wir deinen Mann auf den Thron setzten.« Ich schüttelte den Kopf. »Aber diesmal wird es ein Solo.«
Diesmal würde ich an der Reihe sein, und zwar ich allein. Ich bin kein Held oder so was, aber Ahira würde es nicht schaffen, in den Turm zu gelangen. Es war auch ganz und gar keine Aufgabe für Andy, und Jason war zu jung, um das schaffen zu können. Tennetty könnte sicherlich den gefährlichen Teil übernehmen, aber nicht den Rest des Plans. Ich setzte mich zurück und versuchte darüber nachzudenken, wie ich diese Arbeit erledigen konnte, mit einer vierzig Jahre alten Hexenmeisterin, einem verläßlichen Zwerg, einem noch grünen Jungen und einer einäugigen Psychopathin in der Hauptrolle. Aber mir fiel nichts dazu ein.
»Oh, entschuldigt bitte. Wann habt ihr so etwas das letzte Mal gemacht?« Tennetty neigte den Kopf zur Seite. »Wenn ich mich recht entsinne, war es zu der Zeit, als du einer Hoheit Auge in Auge
Weitere Kostenlose Bücher