Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
fünfzehn Uhr, als ein Gespräch aus den USA in das Büro des Instituts durchgestellt wurde. Smith eilte zum Apparat und presste die Muschel an seine Ohren. »John, schön, dass du anrufst. Wie weit seid ihr mit euren Untersuchungen?«
Wagner begrüßte Smith kurz und mit einer für den Professor ungewohnten Kälte in der Stimme: »Harvey, ich weiß nicht so recht, was ich von den Proben, die ihr uns geschickt habt, halten soll. Wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich ein wenig von dir verschaukelt.«
»Warum? Was ist denn los? Es hat alles seine Richtigkeit«, beschwichtigte ihn Smith.
»Na schön«, begann Wagner. »Leiche Nr. 1 lässt sich mit ziemlicher Sicherheit auf den Zeitraum zwischen 25 und 35 nach Christus datieren. Leiche Nr. 2 entstammt exakt derselben Zeit, aber Leiche Nr. 3 kann keine 2000 Jahre alt sein. Euch wird ja wohl nicht entgangen sein, dass der gute Mann eine Gebisssanierung der Neuzeit aufweist. Wir haben die radiologischen Befunde einer kleinen Gruppe von Spezialisten für dentale Implantologie vorgelegt, ohne natürlich zu verraten, um wen es sich bei diesem Mann handelt. Sie haben mir übereinstimmend berichtet, dass die moderne Implantologie erst in den letzten 20 Jahren zu solch einer Perfektion herangereift ist, wie wir sie bei eurem Freund gefunden haben …«
»Wenn ich dich einmal unterbrechen darf, John. Das wissen wir alles auch schon. Ein israelischer Zahnarzt hat sich bereits die Zähne angesehen und hat uns genau das Gleiche erzählt. Was haben denn nun die C-14 Analysen ergeben?«
»Harvey, das ist das Verrückteste, das ich je erlebt habe – und warum ich so sauer auf dich war … oder bin. Ich dachte, du wolltest uns einen Streich spielen. Also pass auf: Wir haben zweierlei Messungen durchgeführt. Zunächst die herkömmliche Radiokarbonmethode und dann haben wir außerdem versucht, nicht nur das Knochenkarbonat, sondern auch das Kollagen zu extrahieren. Das Kollagen haben wir in seine einzelnen Aminosäuren gespalten und für die 14C-Bestimmung nur die reinen Aminosäuren verwendet, die für Knochenkollagen so charakteristisch sind. Wir haben es ’zig Mal durchgerechnet und immer wieder dieselbe Messung durchgeführt. Und jetzt pass auf: Das Skelett ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 Prozent fast 2000 Jahren alt, genau wie die anderen beiden Skelette auch. Es scheint keinen Zweifel daran zu bestehen, wie sehr wir uns auch drehen und wenden.«
»Sind die Proben schon wieder auf dem Weg zu uns?«
»Ja, sie sind heute rausgegangen. Ich wollte nur vorher schon einmal mit dir sprechen. Wir haben übrigens noch etwas anderes gemacht und zwar, eine genaue Analyse der Zähne. Man kann die Beschaffenheit des Wurzelzementes wie die Jahresringe von Bäumen beurteilen, um herauszufinden, wie alt das Individuum zum Zeitpunkt seines Todes war. Der Tote Nr. 1 war circa 25 Jahre, der Tote Nr. 2 27 Jahre, und Nr. 3 muss um die 57 Jahre alt gewesen sein.«
»Das beantwortet aber nicht die Frage, wie diese Befunde zusammenpassen, John.« »Also gut. Sprechen wir das Unaussprechliche aus. Der Tote Nr. 3 muss oder könnte ein Mensch aus der Zukunft sein.« Smith ließ fast den Hörer fallen. Natürlich hatten Lea und er eine derartige Lösung in ihrem Unterbewusstsein bereitgehalten, doch sie durfte nicht einmal erwähnt werden, bevor alle Untersuchungsergebnisse schwarz auf weiß vorlagen.
»Harvey? Bist du noch da?« Smith schluckte und hatte sich auf einen Stuhl gesetzt.
Wagner sprach weiter. »Ich kann dir zurzeit noch keine Erklärung für das alles geben und rate dir, mit niemandem außer mit den engsten Mitarbeitern darüber zu sprechen. Vielleicht entpuppt sich ja alles als Irrtum oder Messfehler oder etwas anderes Absurdes.«
»John, ich sag es dir nur ungern, aber ich denke, du spinnst. Ich weigere mich definitiv an die Möglichkeit eines Toten aus der Zukunft zu glauben! Dafür bin ich nicht Wissenschaftler geworden, um mich jetzt haltlosen Theorien hinzugeben.«
»Beruhige dich Harvey. Es geht mir ja genauso wie dir, nur dass ich vielleicht etwas offener für das Unmögliche bin als du. Die 14C-Bestimmungen wurden alle von mir persönlich durchgeführt, sodass niemand hier Wind davon bekommen hat. Ich habe ein paar der besten Physiker gestern Abend in den Rotary Club eingeladen und mich mit ihnen scheinbar ganz beiläufig bei einem guten Glas Rotwein unterhalten. Wir haben ein paar Witze gemacht, und irgendwann habe ich sie gefragt, ob eigentlich noch Forschungen
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