Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
die er mitgebracht hatte, und schob sie auf den Schreibtisch. Er kniff das Auge zusammen, das vom Qualm seiner Zigarette zu tränen begonnen hatte. Die Asche landete vor ihm auf dem Boden. »Diese Lanze ist mittlerweile ziemlich populär. Die Medien berichten im Zusammenhang mit dem Mord darüber. Außerdem haben wir einen Artikel im ›Spiegel‹ gefunden, der eine neue Serie vorstellt, die nächste Woche startet.«
Huber sah erst seinen Chef an und nahm dann die Zeitung zur Hand. »Was für eine Serie?«
»Tagebücher eines alten, also damals jungen Mannes, der im Krieg mit Heinrich Himmler zusammen war.«
»Na und? Was hat das mit unserem Fall zu tun?«
»Darin kommt eine Lanze vor, und wenn ich mich recht erinnere, die, die jetzt gestohlen wurde. Hitler hat sie mal besessen, bevor er sie dem Papst vermacht hat oder so ähnlich. Kann auch eine Kopie gewesen sein. Ich muss die ganze Vorankündigung noch mal durchlesen.«
Huber schob die Zeitung von sich weg. »Ich habe keinen Bock auf diesen Fall, Chef. Definitiv zu viel religiöses Zeug.«
»Quatsch Huber. Konzentrieren Sie sich einfach auf die Leichen und machen Sie Ihre Arbeit.« Falkner bedachte die Asche auf dem Boden vor dem Schreibtisch mit einem flüchtigen Blick und steckte die Zigarette in jenen Mundwinkel, in dem sie zuvor hing. Dann verließ er das Büro und zwinkerte Huber zu. Was war er froh, diesen Fall nicht lösen zu müssen.
Vier weitere Tage vergingen, ohne dass nennenswerte Erkenntnisse zutage gefördert wurden. Die deutschen Behörden waren involviert, und die Presse drängte nach Neuigkeiten.
Früh am Morgen schlich Huber von seinem Schlafzimmer hinüber in das Kinderzimmer, schob leise die Tür auf und setzte sich auf die Bettkante seines Sohnes. Zärtlich strich er über dessen blondes Haar und kraulte ihm im Nacken. Brummend und unwillig, von der Traumwelt in die reale Welt zurückzukehren, erwachte der Junge.
»Zeit zum Aufstehen, mein Kleiner.« Sein Sohn öffnete verschlafen die Augen.
»Du kannst noch ein paar Minuten liegen bleiben. Frau Ganther müsste jeden Moment hier sein. Vergiss nicht wieder, deine Brote in der Schule zu essen.« Jens nickte und rieb sich die Augen. »Ich muss los, Schatz.«
Der Junge setzte sich in seinem Bett auf und umarmte seinen Vater. »Musst du wieder Verbrecher jagen?« Huber nickte und strich ihm ein letztes Mal über das Haar. »Sei vorsichtig Papa.«
»Mach ich, mein Großer. Bis heute Abend.«
Auf dem Weg zur Arbeit dachte er nach, wie jeden Morgen. Huber mochte es sich nicht eingestehen, seine Wissenslücken in Bezug auf die Geschichte der Lanze ließen den Fall ins Stocken geraten.
Es half nichts. Es war acht Uhr dreißig, der Himmel und seine Stimmung waren wolkenverhangen, und es schien, als habe er keine Wahl. Widerwillig wählte er Grassettis Nummer. Er saß an seinem Schreibtisch und sein Blick fiel auf eine absterbende Palme mit braunen Ecken an den Blättern, als er auf das Freizeichen lauschte. Ob sie es absichtlich lange klingeln ließ oder ob sie mit nassen Haaren aus der Dusche kam, konnte sich Huber vage vorstellen. Doch dann meldete sie sich.
»Huber, guten Morgen. Können wir uns treffen?« fragte er sie kurz.
»Klar. Wann und wo?«
»Gegen zehn im Präsidium?
»Gibt es keinen angenehmeren Ort als ihr verqualmtes Büro?«
Huber musste ihr recht geben. Falkner nahm keinerlei Rücksicht auf seinen Versuch, der Abstinenz treu zu bleiben.
»Na schön. Drei Straßen vom Präsidium entfernt ist ein Café. Café Hawelka.«
»Ja, kenn ich. Okay. Also gegen zehn.«
Sie drückte die Stopptaste, legte den Hörer beiseite und fuhr fort, ihr Haar trocken zu rubbeln. Sie ging ins Bad zurück, föhnte ihre Mähne und zog sich an. Bevor sie sich endgültig für ein einfaches, hochgeschlossenes T-Shirt und eine Jeans entschied, probierte sie verschiedensten Dinge, die viel Haut zeigten und noch mehr Fantasie anregten. Punkt zehn saß sie in dem von Huber genannten Café und wartete. Huber kam zehn Minuten zu spät. Er entschuldigte sich und setzte sich ihr gegenüber. Sie bestellte einen Cappuccino und Huber einen Kaffee.
Raphaela sah sich um. »Nettes Café. Ich bin oft hier.«
Huber blickte sich ebenfalls um. »Ich war hier noch nie. Hab’ aber ne Menge von gehört. Wollte immer schon mal hin.«
»Das kann nicht sein, oder. Dieses Café ist ein Muss für jeden Wiener.«
Huber schien gelangweilt.
»Wissen Sie, wer schon alles seinen Kaffee hier getrunken hat?« Sie
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