Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
wartete die Antwort nicht ab. »Andrè Heller zum Beispiel: Hat zahlreiche Bücher, Lieder und Theaterstücke geschrieben; Zirkus Roncalli, 1979, war eines seiner Projekte.«
Huber reagierte noch immer nicht.
»War mit Erika Pluhar verheiratet.«
»Sängerin und Schauspielerin«, warf Huber ein.
»Genau. Super. Dann Oskar Werner, der Hamlet in den Fünfzigern oder Helmut Qualtinger: Schauspieler, Kabarettist und Schriftsteller. Leider auch schon 1986 gestorben. In den 50´ Jahren war dieses Café der Literaturtreff schlechthin. Namhafte Autoren und Künstler haben hier diskutiert. Es ist fast so berühmt, wie es das Café Herrenhof vor dem Zweiten Weltkrieg war. Stellen Sie sich vor. Zwischen 1939 und 1945 ist hier keine einzige Bombe runtergekommen, nicht eine Glasscheibe ist gesplittert.«
Raphaela strahlte über das ganze Gesicht. Huber rückte seinen Stuhl zurecht und riskierte einen Blick auf die Bilder, die die alten Wände zierten. Grassetti beobachtete ihn und holte zu einem weiteren Schlag aus: »Dann kennen Sie sicher auch nicht die Meister an den Wänden, hm?«
Huber sah sie verärgert an. Es hätte nicht viel gefehlt und er wäre aufgestanden und gegangen, er musste sich zu seiner Schande eingestehen, dass ihm nicht eines der Bilder bekannt vorkam. Raphaela sprühte ihre Kunstkenntnisse verbal heraus und zeigte von ihrem Platz aus auf jedes Gemälde. »Das da ist von Franz Ringel, daneben hängt Ernst Fuchs, das ist von Arik Bauer, dahinten Alfred Hrdlicka.« Sie holte einen Augenblick Luft und schwieg.
»Schon gut. Sie sind gebildet. Ich dagegen habe keine Ahnung von Kunst. Zufrieden?«
Erst jetzt bemerkte Raphaela, dass sie den Kommissar mit ihrem überheblichen Überschwang in die Enge getrieben hatte. »Tut mir leid. Manchmal gehen einfach die Gäule mit mir durch«, sagte sie aufrichtig, was Huber versöhnte. Er war ein gutmütiger Mensch, der nicht lange auf jemanden böse sein konnte.
»Na dann erzählen Sie mal. Es geht um die Lanze, richtig?« Raphaela leckte sich die Sahne von der Oberlippe und sah Huber fragend an, der nickend bestätigte.
»Wir kommen in diesem Fall nicht weiter. Ich muss einfach mehr über dieses Ding wissen.«
Sie hob den Kopf und schaute in die Ferne. Sie überlegte, wie man bei einem solch komplexen Thema den Anfang finden könne. Sie beugte sich zu Huber vor. Er betrachtete ihre makellosen weißen Zähne zwischen den vollen Lippen. »Sie steckt voller Mystik«, hauchte sie. Ihre Stimme hatte einen erotisierenden KLang. »Die Leute glaubten, ihr wohne eine verborgene Magie inne.«
Huber unterbrach sie. »Und? Tut es das?«
»Schon möglich. Sie ist zumindest geheimnisvoll. Sie müssen bedenken, dass diese Lanze die zweitbedeutendste Reliquie nach dem Heiligen Gral ist.«
Huber nahm einen Schluck aus seiner Tasse. »Legenden. Alles nur Legenden.«
»Ich habe Geschichte studiert und bin mir ziemlich sicher, dass viele Legenden nicht nur den Fantasien irgendwelcher Spinner entsprungen sind.«
Huber verdrehte die Augen. Er war, nach eigener Einschätzung zu realistisch für solche Dinge.
»Tatsache ist, dass diese Lanze einer Menge Leute Ruhm und Ehre eingebracht hat. Viele haben nachweislich durch sie Siege errungen, als die Schlacht verloren geglaubt war.«
»Nachweislich?« fragte er so laut, dass einige Gäste im Café zu ihnen herüberschauten.
»Na meinetwegen, dann eben der Überlieferung nach.«
Huber stöhnte. »Können wir nicht einfach mal ganz von vorne anfangen? Woher stammt dieser Speer? Wie alt ist er? Was macht ihn so besonders?«, fragte er mit einem Unterton des Spotts in seiner Stimme. Raphaela stellte ihre leere Cappuccinotasse ab und wollte soeben beginnen, als das Handy von Huber klingelte. Er erkannte die Nummer auf dem Display. »Ja!«
»Wo stecken Sie Huber? Es gibt Neuigkeiten.« Huber hielt die Muschel zu und schaute zu Raphaela hinüber. »Nie kann man in Ruhe einen Kaffee trinken.« Er grinste sie an. »Was gibt es, Chef?«
»Wir haben vorhin von der Kripo aus Frankfurt einen Hinweis erhalten, dem wir nachgehen sollten. Es wurde ein Leihwagen abgegeben, der aus Wien stammt und in Frankfurt abgegeben wurde.«
»Na und? Was ist daran so besonders?« Huber warf einen Blick zu Raphaela und hielt für zwei Sekunden die Muschel zu. Leise flüsterte er ihr zu: »Er spricht gern in Rätseln.« Dann konzentrierte er sich wieder auf seinen Chef.
»Auf der Haube des Wagens hat man Blutspuren gefunden. Es muss von der Windschutzscheibe
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