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Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Titel: Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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gebrannt war und einen weißen Bart trug.
    Schneider schlurfte auf ihn zu und suchte nach Worten, mit denen er die Unterhaltung mit dem Greis eröffnen konnte. Am liebsten hätte er ihn in seiner Ungeduld direkt auf die Lanze angesprochen, er beschloss, diplomatisch an die Sache heranzugehen. Der Mönch blickte aus seiner gebückten Haltung zu ihm auf und sah in ein Gesicht, von dem er entfernt glaubte, es von früheren Zeiten her zu kennen.
     
    »Kann ich Ihnen helfen, junger Mann?« Montesi sprach ihn auf Italienisch an.
    »Ich suche einen Pater namens Montesi.«
    »Wer sucht einen Pater namens Montesi?«, antwortete der Alte auf Deutsch, der wohl den Dialekt erkannt hatte.
    »Mein Name ist Schneider. Dr. Richard Schneider. Ich bin der Sohn von Karl Wilhelm.«
    Montesi sah Schneider misstrauisch an, drehte sich um und ging zu einem anderen Baum. Er brauchte Zeit, um sich zu überlegen, wie er auf diesen unerwarteten Besuch reagieren solle. An dem Baum angekommen, pflückte er dort reife Oliven ab, ließ sie in eine Tasche seiner Kutte gleiten und stapfte mit kurzen Schritten zu einer verwitterten Holzbank. Er stützte sich auf seinen Stock und ließ sich müde auf die Bank fallen, wobei einige Früchte zu Boden kullerten.
    »Schneider, sagen Sie?« Der Alte schüttelte den Kopf. »Kenne ich nicht«, krächzte er. Schneider stand der Schweiß auf der Stirn und mit aufgerissenen Augen sah er Montesi an. »Sie müssen ihn aber kennen«, bedrängte er ihn und trat einen Schritt weiter auf ihn zu. »Es ist schon sehr lange her. Er hat sie damals in Rom getroffen, als sie vom Papst die ›Heilige Lanze‹ zu Verwahrung erhalten haben. Und er war hier bei ihnen und hat während der letzten Kriegsjahre, vor sechzig Jahren, bei Ihnen gewohnt. Das müssen Sie doch noch wissen!«
    Montesi wackelte auf der Bank wie eine Vogel, der sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagert, und dachte nach. »Ich kann mich nicht erinnern. Sechzig Jahre! Das ist eine lange Zeit.« Er schüttelte sein greises Haupt. »Und ich weiß von keiner Lanze. Tut mir leid. Sie müssen mich verwechseln.«
    Schneider war der Verzweiflung nahe. Was sollte er nur tun? Er versuchte es noch einmal.»Mein Vater hat Tagebuch geführt, und darin werden Sie ausdrücklich erwähnt. Sie waren sein Freund. Das wissen Sie aber doch? Verdammt noch mal.«
    Montesi stemmte sich mit beiden Händen von der Sitzfläche der Bank ab und wollte aufstehen. Sein an die Bank gelehnter Stock rutsche zur Seite. Er wollte danach greifen, schaffte es jedoch nicht. Schneider bückte sich widerwillig und hob den Stock auf. Dabei glitt das Kreuz, das er von seinem Vater erhalten hatte, aus seinem Hemd und baumelte für einen kurzen Augenblick in der Luft. Schneider verharrte für ein paar Sekunden in der gebückten Haltung, denn der Alter starrte mit fasziniertem Blick auf das Schmuckstück. Als Schneider aufstand, konnte Montesi den Blick nicht von dem Kruzifix lösen.
    Er streckte seinen Arm aus und deutete mit zittrigem Finger auf das Schmuckstück. »Woher haben Sie das?« Er sah Schneider mit wachen Augen an.
    »Mein Vater hat es mir kurz vor seinem Tod geschenkt. Er ist vorige Woche gestorben. Er hat mich zu Ihnen geschickt«, log er.
    Der Alte fasste sich an den Kopf und begann zu nicken. »Ja, ich habe ihm dieses Kreuz geschenkt, als nach Deutschland zurückgekehrt ist. Es sollte ihn vor den Mächten der Finsternis beschützen.«
    Schneider nahm das Kreuz von seinem Hals ab und hielt es in der Hand. Er gab es Montesi. Der nahm es, strich bedächtig darüber und reichte es Schneider.
    »Mächte der Finsternis? Was meinen Sie damit?«
    »Junger Mann. Ich bin zu alt, um Ihnen das noch zu erklären. Was wollen Sie eigentlich von mir? Warum hat Karl Sie geschickt?«
    »Erinnern Sie sich jetzt?« Montesi sah müde zu Schneider auf. Es war, als prüfe er ihn mit seinem Blick. Ein Blick, der tief in Schneiders Seele reichte und dort Dinge sah, die ihm nicht gefielen.
    »Er sagte, ich solle Sie nach der Lanze fragen.« Schneiders Geduld begann sich zu verflüchtigten. »Ich will die echte Lanze mitnehmen! Sie haben sie doch, oder?«
    Bei diesen Worten zuckte Montesi zusammen. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Die echte Lanze? Es gibt nur eine Lanze, und die liegt in Wien. Das weiß doch jeder.«
    Schneider trat dicht vor den Alten. »Das ist nicht wahr, und das wissen Sie genau. Die Lanze aus Wien ist eine Nachahmung aus dem achten Jahrhundert. Es ist nicht die Lanze, mit

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