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Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Titel: Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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noch mehr auf. Er packte Montesi an der kratzigen Kutte und zog ihn zu sich ran. »Sie sagen mir jetzt augenblicklich, was ich wissen will! Mein Vater hat in seiner letzten Minute von Ihnen gesprochen.«
    Montesi rührte sich nicht vom Fleck und trotzte Schneider mit einer Unerschütterlichkeit, die diesen zur Raserei brachte. In einem Moment unkontrollierter Aggression stieß er Montesi von sich fort - mit solch einer Kraft, dass dieser nach hinten umfiel, rücklings auf dem Boden aufschlug und sich nicht mehr rührte. Schneider betrachtete den alten Mann, dessen Kopf zur Seite geneigt neben einigen Oliven lag, mit einer Mischung aus Verzweiflung und Wut, Neid und Angst. Reue darüber, dass er einen alten Mann Gottes zu Boden geworfen hatte, empfand er nicht. Er war außer sich vor Wut, dass er den langen Weg umsonst gemacht hatte, und verzagt, weil er keinen Trumpf mehr aus dem Ärmel schütteln konnte.
    Als Richard sich umdrehte und einen letzten Blick auf den am Boden liegenden Mann warf, wurde er des kleinen Rinnsals roten Blutes gewahr, das von dem Stein, auf den Montesi aufgeschlagen war, herabfloss.
     
    ***
     
    Smith ging im Raum auf und ab und suchte in dem Schreiben seines Freundes John Wagner nach Antworten, obwohl ihm längst klar war, dass er sie dort nicht finden würde. »Wenn es stimmt, dass unsere beiden Freunde hier die Schächer sind, die in der Bibel beschrieben werden, dann ist auch der dritte Mann am selben Tag gestorben wie sie – und wie Jesus Christus.«
    »Das allein ist schon wahnsinnig bedeutsam, findet ihr nicht?«, warf Lea ein. »Ich kann mich nicht erinnern, je einmal von einem Fall mit solch einer Brisanz gehört oder gelesen zu haben.«
    »Das stimmt«, sagte Smith und zwirbelte seinen Schnurrbart zwischen Daumen und Zeigefinger. »Wer ist bloß dieser Mann? Wollte er der Kreuzigung von Jesus als Pilger beiwohnen? War er ihm wohlgesonnen oder hatte er böse Absichten? Immerhin ist er durch den Lanzenstich eines römischen Legionärs ums Leben gekommen.«
    »Du tust so, als stünde all das schon fest. Wäre es nicht besser, mit Worten wie ›vermutlich‹, ›wahrscheinlich ‹oder ›vielleicht‹ zu arbeiten?«
    »Das ist richtig, Mosche, aber ich habe in den letzten beiden Tagen viel nachgedacht und bin inzwischen bereit, das für unser Empfinden Unmögliche als eventuell möglich zu akzeptieren.« Harvey runzelte die Stirn und fragte sich, ob er tatsächlich meinte, was er gesagt hatte.
    »Es ist und bleibt ein Paradoxon«, bestätigte Lea. »Hört mal zu! Sollte der Mann aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert stammen, aus unserer Zeit, und seine Inlays erst vor ein paar Jahren bekommen hat – könnte es dann nicht sein, dass er in diesem Augenblick schon , genauer gesagt, noch lebt und sich erst in ein paar Jahren in die Vergangenheit beamt?«
    Mosche und Harvey schwiegen, und die Stille war erdrückend.
    Das Gehirn des Professors durchzuckte ein verrückter Gedanke: Ein Mann lebt, während seine Leiche zur selben Zeit untersucht wird. Wie soll das funktionieren? Smith sagte mit leiser Stimme. »Vielleicht weiß er selbst noch gar nicht, dass er sich auf eine Zeitreise begeben wird. Vielleicht ist er Opfer skrupelloser Experimente geworden?«
    »Das erklärt aber nicht, warum er in Jerusalem und unweit von Golgatha umgebracht wurde«, gab Mosche zu bedenken.
    »Wir müssen uns vor Augen halten, wie es in Jerusalem vor 2000 Jahren ausgesehen hat. Aus der Perspektive eines Mannes aus unserer Zeit müsste die Konfrontation mit der damaligen Kultur ein ziemlicher Schock gewesen sein. Außerdem: Wie hat er sich verständigt? Wovon hat er gelebt? Er brauchte doch etwas zu essen.«
    »Na ja: betteln. Das haben doch viele getan. Genau wie heute. Sich an den Straßenrand setzen und die Hand aufhalten.« Lea nickte zufrieden und genoss ihren Einfall.
    »Trotzdem …« Smith schüttelte den Kopf. »Wie empfand er die sanitären Verhältnisse? Wie ist er mit dem Gestank klargekommen? Er war ja nicht nur in einem fremden Land, in dem er in einem fünf Sterne Hotel Urlaub machte, sondern in einer viel primitiveren Zeit dort.« Der Professor schüttelte verärgert den Kopf. »Nein, so kommen wir nicht weiter. Ich denke, wir sollten uns mit Forschern und Erfindern unterhalten, um in Erfahrung zu bringen, wie weit die Entwicklung in Bezug auf Zeitreisen fortgeschritten ist. Bisher sind unsere Überlegungen doch nur Hirngespinste.«
    Mosche trat dicht an Harvey heran. »Niemand weiß, ob nicht

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