Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
riskieren. Können Sie mich nach zwei Tagen Aufenthalt wieder zurückholen?«
Petrov sah sich im Kreis seiner Mitarbeiter um und dachte nach. Dieser Mann meinte es wirklich ernst. Und es war ja nicht so, dass Petrov für ein menschliches Versuchskaninchen wirklich undankbar war. »Die Chance, Sie gesund zurückholen zu können, ist noch kleiner, als die, Sie dort hinzuschicken. Um Sie am Zielort in die Zeitschleife hinein zu saugen, bräuchten wir noch mehr Energie als für den ersten Teil der Reise.«
Schneider nickte langsam und ließ sich die Sache ein letztes Mal durch den Kopf gehen. Dabei landete er stets bei der gleichen Frage: Was hatte er noch zu verlieren? Man war ihm mit Sicherheit längst auf die Schliche gekommen und das hieß: Er war ein gesuchter Mörder. Und früher oder später würde die Polizei ihn auch finden, das war klar. Die Lanze aber würde ihm die Macht geben, alle Hindernisse zu überwinden. »Wir versuchen es. Was muss ich tun?«
»Sie müssen sich ausziehen.«
Schneider schüttelte grinsend den Kopf. »Sie wollen mich auf den Arm nehmen, oder?«
»Nein, Mann. Denken Sie doch mal nach. Wenn Sie Dinge am Körper tragen, die nicht zu Ihrer organischen Matrix passen, werden die Fremdmoleküle bei Ihrer Ankunft in ihren Körper mit eingebaut. Ich möchte nicht wissen, wie Sie dann aussehen – falls man Sie überhaupt noch erkennt.«
Schneider begann, sich langsam auszuziehen, was ihm jedoch Mühe bereitete, weil er die Waffe nicht aus der Hand legen wollte. Unterhose und T-Shirt behielt er aus Trotz oder aus Scham an. Nachdem er die Schuhe und die Socken ausgezogen hatte, bemerkten einige Wissenschaftler seinen verkrüppelten Fuß.
»Der Ring, die Uhr, die Kette, alles muss hier bleiben.«
Schneider legte seinen Ring und die kostbare Rolex ab und stand nun spärlich bekleidet vor einer Mannschaft von über zweihundert Mitarbeitern. Er streifte die Kette mit dem Kreuz über seinen Kopf und legte sie behutsam auf den Tisch. Das helle Neonlicht spiegelte sich auf der Rückseite des Goldkreuzes. Die Pistole behielt er in der Hand.
»Okay, ich erkläre es Ihnen.« Petrov hatte den Respekt vor der Waffe inzwischen verloren, weil er davon ausging, dass für ihn und seine Leute keine Gefahr bestünde, solange sie taten, was der Irre von ihnen verlangte. Er wusste, dass dieser Mann, sollte er tatsächlich in die Kuppel steigen wollen, die Waffe ohnehin würde ablegen müssen. Eine Zeit lang erwog der Wissenschaftler, dann die Pistole an sich zu nehmen, um der Situation habhaft zu werden. Doch es gab noch das Risiko, dass der Wahnsinnige auf ihn losgehen würde und ein Handgemenge entstand? Was, wenn sich dabei ein Schuss lösen würde? Sollte dieser Irre doch versuchen, durch die Zeit zu reisen. Der Gedanke an ein menschliches Versuchskaninchen wurde für Petrov immer unwiderstehlicher.
Nun stellte er sich vor die Tastatur des Großrechners. »Wilford hat bereits alle Parameter eingegeben. Stellen Sie sich jetzt bitte in die Mitte der Kuppel. Ihnen wird nichts passieren. Sie werden sich nicht drehen oder Sonstiges. Nur die dünne Scheibe, die die Kuppel auskleidet, wird sich drehen. Sie kann durch eine spezielle Technik so stark beschleunigt werden, dass die Teilchen innerhalb der Kuppel mitgerissen werden. Es ist wie in einem Raumschiff. Stellen Sie sich unten auf das Plateau. Ein starkes Magnetfeld wird sie langsam in die Mitte der Kuppel heben, und sie schweben dann ohne Gravitation wie in einer Raumkapsel. Innerhalb der Kuppel spüren Sie zunächst auch nichts von dem Sog, den die Zeit auf sie ausübt. Das Ganze geht dann so weiter: Wenn die Rotation der Scheibe halbe Lichtgeschwindigkeit erreicht hat, können wir Sie nicht mehr sehen, obwohl Sie noch da sind, weil Sie schon entmaterialisiert wurden. Hat die Scheibe dann Lichtgeschwindigkeit erreicht, beginnt für sie die Reise durch die Zeit. Der Mechanismus gehorcht unseren Einstellungen, und der Zeitsog wählt die für sie entsprechenden Wurmlöcher und kosmischen Strings aus. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Sie werden sich nicht besonders gut fühlen, wenn Sie dort ankommen. Falls Sie ankommen, meine ich.« Petrov war jetzt sehr entspannt. »Und geben Sie uns endlich Ihre verdammte Pistole. Sie können die nicht mit da reinnehmen.«
Wilford Klein hielt Schneider die geöffnete Hand hin.
Petrov nickte ihm zu. »Vertrauen Sie mir. Wir machen das Experiment, keine Angst. Sie werden schon Ihre Gründe dafür haben.«
Schneider
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