Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
Reporter mit der Aufschrift Hartmut Schulz auf ein Interview mit dem namhaftesten Wissenschaftler vorbereitet hatte.
Die Freunde waren noch Stunden danach fassungslos. Eigentlich hatten sich Mosche und Lea ja vorgenommen, eine Weile in den USA zu bleiben, doch nach diesen Ereignissen war ihnen die Freude daran vergangen. Sie fuhren schweigend zum Flughafen zurück. Sie gaben den Leihwagen ab und betraten die Eingangshalle.
Als sie sich dem Abfertigungsschalter näherten, blieb Smith plötzlich stehen. »Mosche, Lea. Wartet. Ich habe es mir überlegt. Ich werde euch nicht wieder nach Jerusalem zurückbegleiten. Meine Arbeit ist erledigt. Denn eines ist ja wohl eindeutig: Es gibt keinen Zeitreisenden.«
»Aber Harvey, noch gar nichts ist erledigt«, protestierte Lea. »Wir sind jetzt so weit gekommen und müssen die Sache auch zu Ende bringen.«
Es war ihr abzuspüren, wie sehr der Vorfall sie mitgenommen hatte.
»Es gibt kein Ende. Es sei denn, du beschließt, ein Ende zu setzen«, sagte der Professor bestimmt. Lea sah ihn fragend an.
»Wollt ihr wissen, was ich an eurer Stelle tun würde?«
Lea und Mosche schüttelten den Kopf. Aber in der Verfassung, in der sich beide befanden, war das kein Wunder.
»Besorgt den Toten drei Ossuarien und bestattet sie nach jüdischem Brauch neu. Noch ist der Presse von einem Zeitreisenden nichts bekannt, und ihr könntet die Sache still und heimlich abschließen. Warum gebt ihr ihnen nicht die Grabkammer zurück, in der ihr sie gefunden habt? Vermutlich hatten sie damals keine Angehörigen, die sie ausgraben und in Gebeinkisten beerdigen konnten, wie es der jüdische Brauch vorsieht. Gebt ihnen ihren Frieden zurück.«
»Soll das heißen, wir sollen so tun, als hätten wir keinen zweitausend Jahre alten Mann gefunden, der definitiv aus der Zukunft stammt? Und was ist mit den beiden Schächern?«
Smith schmunzelte. »Definitiv aus der Zukunft …? Für Petrov war gar nichts definitiv, sondern alles Relativ. Vielleicht werden Zeitreisen erst in hundert Jahren möglich sein, vielleicht werden Russen oder Chinesen die richtigen Maschinen erfinden. Wer weiß! Definitiv ist also gar nichts, meine Liebe. Und was die Schächer betrifft … auch das ist möglicherweise nur Spekulation. Übrigens, könnt ihr euch vorstellen, welch ein Kult sich um die beiden bilden würde. Der reuige Sünder bekäme sogleich eine eigene Kirche über dem Grab, und alle Anhänger irgendeiner dunklen Macht würden sich um den anderen scharren, weil er unbußfertig war. Wollt ihr das alles?«
Lea schüttelte den Kopf und verzog die Unterlippe zu einem Flunsch wie ein kleines Mädchen. »Ich hätte berühmt werden können. Eine großartige Karriere hätte auf mich gewartet.«
Mosche klopfte ihr auf die Schulter. »Das tut sie immer noch. Außerdem hast du doch mich. Ich werde bestimmt noch viele alte Gräber aufbuddeln.«
Lea und Smith lachten. Zumindest versuchten sie es.
»Also, ihr Lieben. Ich müsste dort drüben einchecken.« Smith deutete mit dem Kopf auf einen Flug nach Harvard.
»Du hast recht. Vielleicht ist es das Beste, so zu verfahren, obwohl … schade ist es trotzdem.« Lea trat einen Schritt auf Harvey zu und umarmte ihn wie einen Vater. Seine Augen weiteten sich, weil es lange her war, dass ihn eine Frau in den Arm genommen hatte. Die gemeinsamen Erlebnisse hatten sie zusammengeschweißt. So legte auch er seine Arme um sie und schloss die Augen. Er hatte nie eine Tochter gehabt, ungefähr so hätte es sich wohl angefühlt. Auch Mosche verabschiedete sich herzlich von Smith.
»Jetzt waren wir doch nicht mehr zusammen in der Synagoge«, meinte der Professor.
»Na, dann haben wir ja einen Grund für dich, wiederzukommen.«
»Das werde ich ganz bestimmt tun.« Smith nahm seine Tasche auf. »Also macht es gut, ihr beiden. Und schreibt mir mal eine E-Mail, wie es weitergegangen ist mit den drei Jungs.«
»Alles klar.« Mosche winkte zum Abschied. Dann ging er mit Lea in die entgegengesetzte Richtung davon.
XXVII
Fast andächtig verließen Alois und Raphaela diesen Ort des Friedens und ließen den alten Mönch mit dem gütigen Lächeln vor seinem Landhaus zurück. Er stand da wie ein Vater, der seinen Kindern nachwinkt, die sich auf eine lange Reise begeben. Und wenn sie ihren Flug noch erreichen wollten, mussten sie sich jetzt beeilen. Auf der Fahrt nach Rom sprachen sie nur wenig, bis erneut das Handy von Huber klingelte. »Was gibt´s Chef?«
Falkner schnaufte am anderen Ende,
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