Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
religiöser Überzeugung sie ihm würde folgen können.
***
Schneider musterte den blonden, sonderbar kalt wirkenden Hünen. »Germanenorden? Wovon reden Sie eigentlich? Ich verstehe kein Wort. Wie wäre es, wenn Sie einfach noch mal ganz von vorne anfangen. Vor allen Dingen würde mich interessieren, was mein Vater mit Ihnen zu tun hat.«
»Hatte«, korrigierte Lennigan. »Er wird sterben. Das ist Ihnen doch wohl klar?«, sagte er ohne einen Hauch von Mitgefühl.
»Müssen wir das nicht alle irgendwann?« Schneider zuckte mit den Schultern.
»Die einen früher, die anderen eben später. Wir benötigen seine Dienste schon sehr lange nicht mehr. Um es deutlich zu sagen: Ihr Vater ist und war ein Feigling. Aber Sie sind nun mal sein Sohn. Und es gehört zu unserem Schwur, dass das Amt immer auf den Nachkommen übertragen wird.«
Schneider verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. »Und wenn ein Nachkomme sich weigert, dieses ominöse Amt zu übernehmen?«
Lennigan beugte seinen Oberkörper langsam zu Schneider vor und zischte durch die Lippen: »Wenn Sie wüssten, wie viel Macht wir besitzen, würden Sie es nicht wagen, sich den Weisungen des Ordens zu widersetzen. Außerdem scheinen Sie nicht zu begreifen, welches Vorrecht wir Ihnen anbieten. Ein Mitglied unseres Ordens zu sein, bedeutet nämlich nicht nur, ein gesichertes Leben zu führen. Unsere Leute sitzen an allen einflussreichen Schaltstellen. Weltweit. Wir haben ein gut durchdachtes, verzweigtes Netzwerk aufgebaut, dass es uns ermöglicht, zur richtigen Zeit die richtigen Fäden zu ziehen. Glauben Sie mir: Unser Einfluss ist groß. Sehr groß.«
Schneider gab sich Mühe, einen gelangweilten Eindruck zu machen. Doch dann brachte Lennigan ein Argument an, das ihn aufhorchen ließ: »Wir können mehr, als nur den Aktienmarkt kontrollieren.«
Schneider dachte sofort an Comequad und den kometenartigen Absturz seiner Aktien. Dann lachte er mit leicht hysterischem Unterton. »Das ist nicht möglich! Hatten Sie etwa bei Comequad Ihre Finger im Spiel …?«Er griff nach einem Kugelschreiber und jonglierte ihn nervös zwischen den Fingern hin und her. Lennigan nickte nicht, sondern starrte Schneider nur grinsend an.
Richard hatte noch nie einen solchen Mann gesehen. Auf der einen Seite war Lennigan als Typ nicht hässlich, im Gegenteil. Er hatte ein breites Kreuz wie ein kanadischer Holzfäller, blondes volles Haar, blaue Augen und einen beneidenswerten flachen Bauch. Doch Schneider irritierte, dass aus diesem makellosen Gesicht eiskalte, gefühllose Augen blickten. Was ihn aber mehr als alles andere störte, war das Gefühl, das er in Gegenwart seines Besuchers empfand. Ein Gefühl, das ihm bisher fremd gewesen war: Angst. Er gestand es sich ungern ein, doch dieser Hüne pflanzte eine nicht unerhebliche Portion Furcht in sein Herz. Dieses Gerede über einen mysteriösen Orden und das Wissen seines Gegenübers über den Sturz der Comequad Aktien und damit auch seiner Firma. Außerdem hatte dieser Mann seinen Vater einen Feigling genannt. Um Lässigkeit bemüht, fragte er Lennigan: »Gehen wir mal einen Moment lang davon aus, ich würde mit Ihnen in irgendeiner Weise kooperieren - auch wenn Sie mir noch gar nicht gesagt haben, was Sie eigentlich wollen? Doch gehen wir nur mal hypothetisch davon aus, ich würde mitmachen. Was würde für mich dabei rausspringen?«
Lennigan setzte sich bequemer hin. Ein erstes menschliches Zeichen, das auf Entspannung schließen ließ. Er streckte sich, bevor er antwortete und verschränkte dabei die Arme mit einer großen Bewegung hinter dem Kopf, wobei die Revers seines Sakkos auseinander glitten und ein zierlicher, flacher Halfter mit einer schwarzen Waffe sichtbar wurde. »Für Sie springt dabei raus, dass Sie am Leben bleiben.«
Der Fremde brach in ein unheimliches Lachen aus, und Schneider verlor den Rest seines Selbstvertrauens. Als Lennigan Schneiders Blick bemerkte, der sich auf die Waffe heftete, fügte er hinzu: »Nun ja. Und Ihre Firma würde auch wieder laufen, und zwar besser denn je.«
»Also gut. Und was hätte ich dafür zu tun?«, fragte Schneider, dessen Neugier trotz der Angst geweckt war. Wenn er an seine Firma dachte, war er tatsächlich gewillt, beinah alles zu tun, um sie zu retten.
»Es ist eigentlich keine große Sache. Wir haben dieselbe Gesinnung und die gleichen Ziele. Es wäre daher für Sie nur von Vorteil, uns dienlich zu sein.«
Schneider wurde ungeduldig. »Nun kommen Sie
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