Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
merkwürdig. Er wusste sogar, dass du Unterlagen über diese Lanze für mich mitbringst. Hast du ihm davon erzählt?«
»Nein, hab ich natürlich nicht. Wann hätte ich das denn tun sollen?«
»Na, vielleicht als er in der Firma angerufen hat?«
»Wie das denn? Du hast mir doch erst gestern den Auftrag dazu gegeben.«
Schneider dachte nach. Er hatte in den Rummel das Zeitgefühl verloren. Dann schüttelte er den Kopf. Nach einer Weile bestätigte er das Unfassbare. »Es ist nicht zu glauben. Die wollen tatsächlich, dass ich ihnen die Lanze beschaffe.«
Blome sah Schneider entgeistert an. »Ich begreife immer noch nicht, was du damit zu tun hast? Vor allem: Ich wusste gar nicht, dass du auf den Diebstahl von Museumsstücken spezialisiert sein sollst. Ich meine: Warum machen Sie es nicht selbst, wenn Sie so mächtig sind, wie du sagst?«
Schneider ließ sich die Frage Blomes durch den Kopf gehen. »Keine Ahnung. Ich vermute, sie brauchen jemanden, der die Drecksarbeit für sie erledigt, ganz einfach. Außerdem bin ich eben jener sagenumwobene Nachfolger. Keine Ahnung, welche merkwürdigen Regeln die haben.«
»Und? Wie hast du reagiert? Du wirst doch wohl deine Finger davon lassen, Richard!« Der Klang von Blomes Stimme war voller Sorge um seinen Freund. Finanziell ein paar krumme Dinger zu drehen, war in ihrem Geschäft nichts Besonderes, doch Einbruch und Diebstahl einer offensichtlich bedeutenden Reliquie …
»Weißt du Gerd? Es ist schon verrückt, was in den letzten Tagen mit meinem Leben passiert. Es gerät völlig aus den Fugen! Erst die Sache mit Comequad. Dann liegt mein Vater im Sterben. Und seit ich diese Tagebücher lese …« Schneider ließ seinen Blick durch Blome hindurchgehen. »Ich kann es nicht leugnen, aber ich selbst bin ganz vernarrt in diese Lanze.«
»Du willst mir doch nicht etwa sagen, dass du sie wirklich beschaffen willst? Wie stellst du dir das denn vor? Das ist ein kostbares Museumsstück. Da geht man nicht so einfach rein und sagt: ›Hallo, ich bin Dr. Richard Schneider, der Inhaber der größten Investmentfirma Frankfurts und ich nehme jetzt die Lanze dort mit. Ist das okay für euch, Leute?‹«
Schneider verzog keine Miene und zuckte mit den Achseln. In Gedanken vertieft sagte er: »Keine Ahnung, wie man das anstellt. Irgendwie wird es schon gehen.« Er sah auf. »Der Typ will außerdem noch mal vorbeikommen. Außerdem hat er gesagt, sie sei ziemlich schlecht bewacht.«
»Du spinnst, Richard. Ich sage dir: Lass die Finger davon!«, beschwor Blome ihn ein zweites Mal.
Richard wandte sich zu Gerd um und schaute ihn eindringlich an. »Sie könnte auch für uns, für die Firma von großem Vorteil sein. Wie ich in den Tagebüchern meines Vaters gelesen habe, scheint es wirklich keine gewöhnliche Lanze zu sein, Gerd.« Schneider beugte sich vor und fixierte die Augen seines Freundes. »Stell dir vor: Jeder, der diese Lanze besessen hat, ist zu großer Macht gekommen, hat alle Schlachten gewonnen und magische Fähigkeiten besessen.« Schneider ballte die Fäuste, während er den letzten Satz wie eine Verschwörungsformel sprach.
Blome aber blieb ganz gelassen. »Und du glaubst an diesen Unsinn?«
»Himmler hat das auch gesagt.«
Schneider stand auf und lief ins Wohnzimmer hinüber. Zielsicher griff er nach einem der Tagebücher und nahm es mit in die Küche.
»Hier, lies selbst.«
Blome nahm das Buch in beide Hände und las wortlos den Abschnitt, den Richards Vater über das Gespräch mit Himmler niedergeschrieben hatte. Schneider ließ seinen Freund dabei nicht aus den Augen. Vielleicht konnte er ihn ebenfalls für die Mystik der Lanze begeistern. Ein Verbündeter wäre nicht schlecht , dachte er.
Blome legte das Buch wie eine ausgelesene Zeitschrift auf den Tisch zurück. Er war keineswegs überzeugt. »All das hier heißt doch noch lange nicht, dass diese Lanze wirklich solche Macht hat. Tut mir leid, Richard. Ich kann dir nicht folgen. Ich glaube einfach nicht an so einen Humbug, und ich kann nicht verstehen, dass du auf so etwas abfährst. Ach, und übrigens: Du sagst doch, sie bringe jedem Macht und Sieg, der sie besitzt – die Deutschen zumindest haben den Krieg verloren, schon vergessen? Trotz Lanze, mein Lieber.«
»Dafür gibt es bestimmt eine Erklärung. Ich habe die Tagebücher ja noch nicht zu Ende gelesen. Ein paar liegen noch im Haus meines Vaters. Aber ich werde dahinter kommen, glaub mir.«
»Meinst du nicht, dass die Firma im Moment wichtiger ist als
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