Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
heraus.
»Das ist es«, rief Schneider begeistert. »Das ist die Lanze des Longinus. Ich wusste, dass es sie gibt. Die Frage ist: Hat mein Vater sie jemals besessen oder zumindest in den Händen gehalten? Ihn hielt nichts mehr auf dem Dachboden. Er ließ die Bibel auf dem staubigen Boden zurück und eilte ins Wohnzimmer. Hat mein Vater diese Lanze jemals besessen ? Dieser Gedanke ließ ihn nicht los. Er setzte sich in den Lesesessel und schlug den nächsten Band auf.
3. Okt. 1940
´Saß heute den ganzen Tag in Himmlers Bibliothek. Ist schon fast zu meinem zweiten Zuhause geworden. Nachdem ich die erste Phase seines Lebens abgeschlossen habe, ist es mühsam, einen Einstieg in sein späteres Leben zu finden. Ich bin auf seine Erzählungen und Berichte angewiesen, vor allem darauf, wie er sich selber sieht. Ich weiß nun alles über sein Studium der Landwirtschaft, seine neuen politischen Freunde und Kontakte sowie über seine Begeisterung über die Mendelsche Vererbungslehre, die er auf die Menschen zu übertragen denkt. Er ist Mitglied in einer Reihe von Vereinen und Verbänden und nach eigener Aussage eine gesellige und gern gesehene Persönlichkeit. Nun, ich muss seine Ansicht ja nicht teilen, denn in meinen Augen ist sein Wesen eher farblos und unscheinbar. Nicht gerade der Typ Mann, um den man sich bei gesellschaftlichen Anlässen versammelt, um Witze oder nette Anekdoten zu hören. Auch fehlen ihm das Charisma des Führers und der Witz Heydrichs . Eigentlich hat er gar nichts Großartiges an sich – und doch ist dort etwas an ihm oder in ihm, dass mich magisch in den Bann zieht. Er ist ein Verfechter der Rassenlehre, und er gehört der Thule -Gesellschaft an, für die er mich ebenfalls begeistern will. Ich werde mich noch einmal damit beschäftigen, bevor ich endgültig zusage.
Himmlers letzter Tagebucheintrag lautete in etwa, dass aus dem mischrassigen deutschen Volk wieder reinrassige Germanen gezüchtet werden müssten. Er träumt von einem neuen Volk in einem Land, das einem Paradies der germanischen Rasse gleicht – durchsetzt von Kulttempeln, Wehrdörfern und Totenburgen und mit der Wewelsburg im Zentrum.
Er berichtete mir ausführlich von einer Organisation, die er gegründet habe und die er als Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte ansehe. Gemeinsam mit seinem Freund, dem Reichsbauernführer und Leiter des Rasse- und Siedlungshauptamtes Richard Walther Darré habe die Idee für den Verein »Ahnenerbe« entwickelt und zeigte mir sogleich ein Manuskript darüber. Stolz sagte er: »Dieser Verein bietet uns Raum, Geist und Tat, um das nordrassische Indogermanentum zu erforschen und es dem deutschen Volk zu vermitteln. Er gibt uns die Möglichkeit, ernsthafte Wissenschaft zu betreiben, um die Menschen, insbesondere die Deutschen, Holländer, Belgier, Dänen, und Norweger zu ihren Wurzeln zurückzuführen. Der uralte Menschheitstraum, einen Übermenschen zu züchten, rückt damit in greifbare Nähe.« So waren seine Worte, die ich gleich aufgeschrieben habe. Denn während er sprach, war wieder dieser unheimliche Glanz in seinen Augen.
»Wie sehen denn diese Forschungen aus?«, fragte ich ihn interessiert.
»Wir machen Tests, mit deren Hilfe wir herausfinden, unter welchen Lebensbedingungen der Stärkere überlebt. So war es innerhalb der Evolution ja schon immer.«
Ich hakte nach: »Und wer sind die Testpersonen und welche Tests werden unternommen. Ich meine: Wie habe ich mir das vorzustellen?«
Himmler schienen diese bohrenden Fragen unangenehm zu sein. Ich bin zwar schon längst zu einem seiner engen Vertrauten avanciert, doch manche Fragen bleiben dennoch Tabu und dazu gehörte offensichtlich meine zuletzt gestellte. Er wand sich aus dem Gespräch heraus, zog ein beliebiges Buch über Rassenlehre aus dem Regal und drückte es mir vor den Bauch. »Hier lies das, dann weißt du Bescheid.«
Ich hatte den Eindruck, dass ich ein äußerst empfindliches Thema angeschnitten hatte und erinnerte mich an die skurrilen Möbelstücke im oberen Stockwerk, deren Existenz ich nicht vergessen kann. Wie weit geht er für seine Forschungen an Menschen, und welchen Ausgang nehmen diese Tests? Ich habe mir vorgenommen, ihm diesbezüglich bei guter Stimmung einige Antworten zu entlocken.
8. Okt. 1940
Habe letzte Nacht im Keller kein Auge zugetan. Britische Kampfflieger warfen stundenlang Bomben über Berlin ab. Unser Haus ist zum Glück unbeschädigt geblieben, da es am Stadtrand liegt. Habe gehört, dass
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