Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
Künstler im Umgang mit diesen Monstern sein.« Smith tupfte sich mit der Serviette die Mundwinkel ab. »Frau Weizmann hat mir im Auto erzählt, wie elegant Sie den Rollstein auf die Seite gelegt haben.«
Mosche wehrte ab. »Ach, alles eine Frage der Übung. Wir wissen ja, in welch historisch wichtigen Gebieten wir arbeiten. Da muss man schon ein wenig Feingefühl mitbringen. Schließlich könnte unter jedem Stein ein potenzieller Schatz verborgen liegen.« Mosche grinste in Anbetracht seiner Übertreibung.
Für Smith war die Begegnung mit Mosche Kofsman eher ungewöhnlich. Er war es zwar gewohnt, mit Grabungshelfern, sowie anderen Professoren und deren Assistenten am Fundort zusammenzuarbeiten, doch gleich am ersten Tag bei einem Baggerführer zu Gast zu sein, war etwas Neues. Dennoch fühlte er sich auf eigentümliche Weise wohl in diesen Räumen, fasste schnell Vertrauen zu Kofsman und hatte das Gefühl, das alles genau so kam, wie es kommen sollte. Er begann, das Gespräch auf den sonderbaren Grabfund zu lenken.
»Hat Frau Weizmann Sie schon über die näheren Erkenntnisse unseres, beziehungsweise Ihres Fundes unterrichtet, Herr Kofsman?«
»Mosche. Sagen Sie doch bitte Mosche zu mir. Das tun alle meine Freunde.«
»Oh, nun gut. Vielen Dank, Mosche. Sehr gern. Nun, es ist so: Wir haben mit einigen Ungereimtheiten zu kämpfen, und wir wissen im Moment noch nicht, wie wir diese widersprüchlichen Befunde einzuordnen haben.«
Mosche warf einen fragenden Blick zu Lea. Dem Professor zugewandt fragte er erstaunt: »Aber wie kann ich Ihnen dabei helfen? Ich bin Baggerführer.«
Smith holte tief Luft und blickte sich flüchtig im Wohnzimmer der Kofsmans um, als wolle er sicherstellen, dass sie allein seien. »Sie wissen, dass in der Grabhöhle drei Leichen gefunden worden sind.«
Mosche nickte kaum merklich.
»Zwei von ihnen weisen eindeutige Kreuzigungsmerkmale an ihren Hand- und Fußgelenken auf. So weit ist alles schön und gut, und schon allein wegen dieser Tatsache ist der Fund als sensationell einzustufen. Der dritte Tote jedoch trägt Spuren einer Stichverletzung. Ich persönlich glaube, sie stammt von einer römischen Lanze aus der Zeit Jesu.«
Mosche hob die Brauen und wartete gespannt die weiteren Ausführungen des Professors ab. In wenigen Sekunden würde er wissen, worauf dieser hinaus wollte.
»Die Spitze der Lanze wurde zwischen der dritten und vierten Rippe eingeführt und wird die linke Lunge durchbohrt haben.« Smith legte die Fingerspitzen aneinander. »Das wäre an sich noch kein Problem, im Gegenteil, bis hierher passen die drei Männer schon irgendwie zusammen. Doch jetzt kommt der Teil, der uns wirklich Kummer macht.«
Smith holte tief Luft und machte eine bedeutsame Pause. Er sah Lea an, als wolle er sich ein letztes Mal rückversichern, ob er über die unverständlichen Befunde reden solle. Er beschloss, die Bedenken beiseite zu wischen, die Aufklärung solcher Ungereimtheiten verlangte bisweilen nach außergewöhnlichen Maßnahmen. Warum nicht einen Kranführer in geheime Forschungsergebnisse einweihen.
»Der Tote Nr. 3 - wir schätzen ihn auf circa 50 bis 60 Jahre, hat im Unterschied zu seinen beiden Freunden ein perfektes Gebiss.«
Mosche zuckte mit den Schultern und dachte an seine eigenen makellosen und füllungsfreien Zähne.
Smith ahnte Mosches Gedanken. »Tja, und jetzt kommt das Mysterium. Ein Zahnarzt aus Tel Aviv hat uns heute bestätigt, dass der Tote Keramikinlays und Kronen hat, die er zweifelsfrei erst im einundzwanzigsten Jahrhundert bekommen haben kann.« Smith lehnte sich zu Mosche vor. »Darüber hinaus sieht man auf dem Röntgenbild zwei Zahnimplantate im linken oberen Seitenzahnbereich.«
Mosche reagierte nicht gleich.
»Verstehen Sie, was das bedeutet?«
Mosche ließ sich Zeit mit der Antwort. »Noch nicht so ganz. Sie wollen andeuten, dass der Tote nicht aus derselben Zeit stammen kann wie die beiden anderen?«
»Genau«, schaltete sich Lea in das Gespräch ein. »Er muss nachträglich, vor ein paar Jahren möglicherweise, von irgendjemandem dort hineingelegt worden sein. Eine andere Erklärung gibt es nicht.«
Mosche lachte kurz auf. »Wer sollte so etwas tun? Einen Toten in einem uralten Grab verscharren.«
»Er könnte Opfer eines Verbrechens geworden sein. Und damit man die Leiche nicht findet, hat man sie zu den anderen dazugelegt«, erklärte der Professor.
»Das würde bedeuten, dass jemand das Grab schon vor einigen Jahren gefunden hat.
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