Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
ordnen, und das gelang ihm am ehesten, wenn er sich nicht mehr um sie kümmerte. Er eilte durch die Drehtür des Instituts und genoss die warme frische Luft, die ihm durchs spärliche Haar wehte. Im Flugzeug hatte er die klimatisierte, fast sterile Luft atmen können, und es schien ihm, als herrsche in diesem trockenen archäologischen Institutskeller die gleiche Atmosphäre.
Fürs Erste hatte er genug von der Enge und entschied spontan, nicht ins Hotel zurückzukehren, sondern einen Spaziergang durch irgendeinen Jerusalemer Park in der Nähe zu machen. Smith war nun schon das neunzehnte Mal in Israel, und man hätte meinen können, er sei mit dem Land vertraut. Das aber entsprach keineswegs der Wahrheit. Denn jedes Mal, wenn er Israel bereist hatte, war es um archäologische Ausgrabungen gegangen. Er verbrachte lange Wochen in diversen Camps und schlief dort in Zelten und Wohnwagen oder in einfachen Unterkünften wie jenem Hospiz, das er auch diesmal gewählt hatte. In früheren Zeiten hatte ihn seine Frau begleitet. Seit ihrem Tod, fünf Jahre zuvor, war er allein unterwegs. Unterwegs , dachte er, i st man doch sowieso, egal, an welchem Ort man sich befindet . Man ist nur auf der Durchreise , lautete sein Motto. Auf dem Weg in die Heimat . Wenn man ihn fragte, was er damit meine, sagte er: »Unsere Bestimmung ist der Himmel.« Und immer, wenn er diesen Satz aussprach, gerade in letzter Zeit, machten sich seine Freunde und Kollegen Sorgen um ihn. Sie glaubten, er sei ein suizidgefährdeter alter Mann, der seiner Frau in den Tod folgen wollte. Doch der Professor meinte etwas anderes.
Smith hatte in den Jahren seiner Tätigkeit als Archäologe viele Beweise für die Existenz Jesu gesammelt, dass für ihn kein Zweifel mehr bestand, dass er tatsächlich existiert hatte. Und als seine Frau nach langem Krebsleiden mit einem Lächeln auf den Lippen gestorben war, schwanden seine letzten Zweifel. Seine Frau hatte den Glauben nie aufgegeben, trotz ihrer Schmerzen. Sie war es gewesen, die den Spruch geprägt hatte, die Menschen seien auf der Durchreise. In Liebe zu seiner Frau und mit voller Überzeugung, dass es die Wahrheit sei, hatte er diese Weisheit für sich übernommen.
Nachdem Smith eine geschlagene Stunde auf einer Parkbank verbracht hatte, trat er den Weg zum Hospiz an. Jetzt erst merkte er, wie hungrig er war.
Leas Wagen stand pünktlich um neunzehn Uhr vor der Tür des Hospizes. Sie öffnete dem Professor von innen die Tür und bemerkte, dass er sich umgezogen und frisch gemacht hatte.
»Und? Wie geht es Ihnen? Haben Sie etwas schlafen können?«
»Ich bin spazieren gegangen und habe im Park ausgeruht. Es war herrlich. Ich fühle mich wieder fit und aufnahmefähig. Und ich freue mich auf den Abend bei Kofsmans. Dem Baggerfahrer.«
»Seine Familie ist sehr nett. Sie wird Ihnen gefallen.«
Smith wunderte sich, wie gewandt Lea das Fahrzeug durch die teils engen Gassen führte. Als hätte sie seine Gedanken gelesen, sagte sie: »Die Beulen habe übrigens nicht ich verursacht. Das sind ausschließlich Parksünden der anderen.«
Der Professor konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, doch er glaubte ihr. Nach etwa fünfzehn Minuten erreichten sie ein einfaches Mehrfamilienhaus in einem Vorort von Jerusalem. Der Fahrstuhl brachte sie ins vierte Stockwerk, und ein braungebrannter Mann um die vierzig mit schwarzem struppigem Haar öffnete ihnen die Tür.
»Shalom. Sie müssen Professor Smith sein. Es ist mir eine Ehre, Sie in meinem Haus begrüßen zu dürfen.«
Smith reichte Mosche Kofsman die Hand und schüttelte sie kräftig. »Ganz meinerseits. Ich habe schon viel Gutes über Ihre Fähigkeiten gehört. Sie sollen ein ausgezeichneter Kran-und Baggerführer sein.«
Mosche nickte verlegen. Er hatte nicht oft Besuch von hochrangigen Persönlichkeiten, doch Lea war ganz erpicht darauf gewesen, diesen Kontakt herzustellen. »Kommen Sie bitte herein. Das Essen ist in wenigen Minuten fertig. Während des Essens werden meine Kinder und meine Frau noch dabei sein und es wird etwas lauter zugehen. Ich hoffe, das stört Sie nicht.«
Smith schüttelte den Kopf: »Ganz und gar nicht. Meine Frau und ich haben leider nie Kinder haben können, und ich genieße es sehr, Kinder um mich zu haben.«
»Gegen acht werden sie im Bett verschwunden sein und dann werden wir in Ruhe reden können.«
Wie erwartet, schmeckte das Essen dem Professor nicht nur großartig, es bekam ihm auch exzellent.
»Sie sollen ja ein wahrer
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