Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
Ansatz einer Lösung. Wenn man kein Werkzeug hat, muss man nehmen, was man kriegen kann.
Der Wachmann hielt sich in seinem Häuschen auf und freute sich auf seinen wohlverdienten Feierabend. Bukowski schlich zu ihm. Franz Burgner kniete vor einem hohen Regal und sortierte einen großen Stapel frisch gedruckter Broschüren darin ein. Bukowski trat von hinten an Burgner heran und riss ihm mit einer für einen übergewichtigen Mann ungewohnt behänden Bewegung die Waffe aus dem Halfter. Burgner war starr vor Schreck.
»Mitkommen, Mann! Los machen Sie schon! Ich hab nicht ewig Zeit.« Bukowski hatte die Pistole entsichert und hielt sie auf Franz Burgners Genick gerichtet. Der hatte in all den Jahren seines Dienstes nicht ein einziges Mal von der Waffe Gebrauch machen müssen, doch er war sicher, dass sie funktionierte.
»Was wollen Sie«, wimmerte der Wachmann. Bukowski fuchtelte ihm mit der Waffe vor der Nase herum. »Jetzt kommen Sie, verdammt noch mal. Wenn Sie Mätzchen machen, knall ich Sie ab.« Burgner war zu Tod erschrocken. Bukowski griff ihn am Ärmel und zog ihn aus der Regalecke hervor. »Wir beide gehen jetzt schön nach oben. Dann schließen Sie eine Vitrine auf und alles ist in bester Ordnung.«
Burgner leistete keinen Widerstand und hielt es für das Klügste, nicht zu widersprechen. In drei Monaten wollte er seine Pension antreten. Er ging die Stufen hinauf und fühlte das kalte Metall der Waffe in seinem Rücken. Bukowski drückte sie absichtlich fest gegen seine Wirbelsäule, um ihm die Dringlichkeit seines Anliegens deutlich zu machen. »Holen Sie schon mal den Schlüssel heraus. Ich habe es ein bisschen eilig, das verstehen Sie doch.«
Der Wachmann gehorchte und brachte mit einem hellen Klimpern den riesigen Schlüsselbund zum Vorschein.
Sie standen vor der Vitrine. Ein kleines schmuckloses Schild bezeichnete den begehrten Gegenstand: Inventarnummer XIII, 19.
»Los. Aufschließen.« Burgner drehte den Bund mehrere Male, um den richtigen Schlüssel zu suchen. Seine Finger zitterten. Er fand ihn und schloss die Vitrine auf. Ungerührt von der Majestät der ›Heiligen Lanze‹, wie Schneider sie tituliert hatte, riss Bukowski sie heraus. Da erst fiel ihm auf, dass er nichts zum Einpacken dabei hatte. Es war unmöglich, sie unverhüllt aus dem Museum zu tragen, auch wenn Schneider vermutlich schon vor der Tür stand.
Bukowski hatte jetzt in der einen Hand die Waffe und in der anderen die Lanze. Er ging einige Schritte von Burgner weg, legte die Lanze auf den Boden und die Pistole in greifbarer Nähe auf eine kleinere Vitrine. Er begann, seine Lederjacke auszuziehen und blieb mit einem Arm im Ärmel hängen. Seine Fettleibigkeit machte ihm in der zu engen Jacke zu schaffen. Als sich Bukowski endlich befreit hatte, hob er die Lanze vom Boden auf. Die Pistole lag noch auf der Vitrine. Auf einmal stürzte Burgner auf Bukowski zu. In einem Anflug von Heldenmut wollte er die Lanze an sich bringen und ihren Raub verhindern. Ein Leben lang hatte er sie und die vielen anderen Ausstellungsstücke bewacht. So schnell und einfach sollte sie nicht zu haben sein. In dem Moment, als er auf die Vitrine zustürmte, richtete sich Bukowski auf und erfasste mit einem kurzen Blick die Situation. Die Pistole konnte er nicht mehr vor Burgner erreichen. Doch er wurde sich bewusst, dass er schon eine Waffe in den Händen hielt, wenn auch eine sehr alte. Im Bruchteil einer Sekunde musste er sich entscheiden. Wenn er die Lanze Schneider nicht brachte, warteten Gefängnis und eine Zukunft ohne Perspektiven auf ihn.
Burgner hatte die Pistole, die auf der Vitrine lag, fast erreicht. Da sprang Bukowski auf ihn zu und stach die Lanze tief in seinen Leib hinein. Burgners Arm war wie zum Gruß in die Luft gereckt, da er nach der Pistole greifen wollte, die wenige Zentimeter entfernt lag. Überrascht schaute er Bukowski an, der erst in diesem Augenblick realisierte, was er getan hatte. Der Wachmann stand noch einen kurzen Moment auf seinen Beinen, dann knickten seine Knie ein und er ging zu Boden. Die Lanze ragte mit ihrem Griff aus Burgners Leib heraus, und Bukowski starrte regungslos auf die schmerzverzerrte Grimasse des sterbenden Wachmanns. Der Wächter fiel zur Seite und lag mit aufgerissenen Augen vor Bukowskis Füßen.
Die Zeit stand still, und Bukowski war wie gelähmt. Dann wachte er aus seiner Erstarrung auf und versuchte, die mächtige Klinge des antiken Kriegsgerätes aus Burgner heraus zu ziehen. Seine Hände
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