Hueter Der Macht
obwohl von den Sümpfen jenseits der Mauern Roms ein gelber Dunst aufgestiegen war, der noch bis zur Non anhielt, als die Kardinäle zusammentreffen sollten.
Das Murmeln einer großen Menschenmenge, die sich schon in der vorangegangenen Nacht in der Leostadt versammelt hatte, war zu hören. Die Stadtbewohner wussten, dass die Kardinäle vor der Wahl einen Weg finden würden, sie auszusperren, wenn sie nicht ihre Stellung behaupteten. Den Kardinälen, die nervös aus ihren Wohnungen in dem Palast neben dem Petersdom spähten, schien es, als hätte sich die gesamte Bevölkerung Roms in den Straßen und Plätzen um die Basilika herum versammelt.
Und ihre Stimmung war alles andere als festlich.
Die Wahl sollte im Konklavesaal stattfinden, ein großes Steingebäude nördlich des Petersdoms, direkt neben dem Papstpalast. In der Stunde vor der Non näherten sich die Kardinäle dem Saal. Sie wurden von der Miliz gut bewacht und schritten mit scheinbar gefassten Gesichtern durch die Korridore des Palastes. Dabei warfen sie jedoch besorgte Blicke nach rechts und links.
Das Murmeln der Menge schien ebenso durch den Fußboden unter ihren edelsteinbesetzten Pantoffeln zu dringen wie durch die Fenster.
Die Kardinäle, sechzehn an der Zahl, betraten einer nach dem anderen den Konklavesaal. Mit etwas Glück würde die Wahl nicht lange dauern. Schließlich hatte sich ihr Ergebnis in den vorangegangenen Tagen bereits abgezeichnet.
Jeder der Kardinäle trat schweigend in einen mit Vorhängen abgetrennten Teil des Raumes; die Wahl fand in Abgeschiedenheit statt, um ihr einen Anschein von Geheimhaltung zu geben. In jedem Abteil standen ein Stuhl und ein Schreibpult. Auf den Schreibpulten befanden sich ein einzelnes Blatt Pergament, eine Feder und ein Tintenfass.
Die Kardinäle nahmen ihre Plätze ein, und als alles bereit war und die Vorhänge vor den Abteilen zugezogen waren, läutete eine Glocke hoch oben im Turm des Gebäudes.
Die Wahl hatte begonnen.
Und Chaos brach los.
Die Menschenmenge vor dem Gebäude drängte sich vor den dicken Steinmauern und schlug mit Fäusten, Spießen, Knüppeln, Äxten, Töpfen, Pfannen und allerlei anderem Gerät dagegen, das sie bei sich zu Hause gefunden hatten und das ihnen geeignet erschien, um den glatten Ablauf der Wahl eines italienischen Papstes sicherzustellen.
»Gebt uns einen Italiener, oder wir jagen Euch Spieße in Eure wohlgenährten Bäuche!«
»Gebt uns einen Italiener, oder wir zünden Euch das Haus über dem Kopf an!«
Jeder für sich ergriffen die Kardinäle mit zitternden Händen ihre Feder, tauchten sie in das Tintenfass und zögerten über dem Pergament.
»Gebt uns einen Italiener…«
Die Gesichter der Kardinäle verfinsterten sich. Verflucht sollten die aufrührerischen Menschen sein! Rom konnte zur Hölle fahren! Sie würden sich an dieser Stadt rächen, und wenn es das Letzte war, was sie taten.
Die finsteren Mienen verzogen sich langsam zu einem schmallippigen Grinsen.
Die Rache, als Ergebnis der Wahl, war bereits geplant.
»Gebt uns einen Italiener!«
Und dennoch zögerten die Kardinäle.
Draußen schrie ein Schlosser, der sich an den Türen, die zu den Gewölben unter dem Saal führten, zu schaffen gemacht hatte, triumphierend auf.
Die Menge strömte vorwärts; ihre Spieße hielten sie so fest gepackt, dass die Knöchel ihrer Hände weiß hervortraten.
Die Kardinäle beugten sich bedächtig über das Papier. Ihre Hände zitterten vor Hass auf den Mob, aber auch vor Furcht.
Und während sie noch zögerten, spürten sie den Holzfußboden unter ihren Füßen erzittern, und schließlich brachen in acht der Abteile Speere und Spieße durch den Boden, zersplitterten die Bohlen und ließen sieben Kardinäle vor Angst und Schrecken Schreie ausstoßen, als die Waffen ihre Füße nur knapp verfehlten.
Einer dieser sieben knurrte, sprang auf und schrie durch die gebrochenen Bohlen hindurch: »Wir geben euch euren verfluchten Italiener, ihr Abschaum, aber ihr wisst nicht, was ihr heute angerichtet habt!«
Dann rief er durch den ganzen Saal: »Es soll geschehen!«
Und die Kardinäle beugten sich über ihr Pergament und kritzelten alle denselben Namen.
Sie würden noch erleben, wie die Römer zur Hölle fuhren!
Die Menschenmenge geriet beinahe außer Kontrolle, als die Türen des Balkons geöffnet wurden. Ein Kardinal in rotem Gewand trat heraus, mit einem Pergament in der Hand.
»Hört mich an!«, schrie er und die Menge zischte.
»Heute haben wir den
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