Hueter Der Macht
geschüttelt, humpelte er stets hinter dem Prior her und betete zu Gott um Kraft, damit er den Nachmittag überstand.
Heute würde sein letzter Bußtag sein. Thomas hatte geweint, als er die Hand des Priors auf seiner Schulter gespürt hatte, denn nun würde er nicht mehr so viel Zeit in schweigendem Bußgebet verbringen dürfen, doch sein Gesicht wurde ebenso kalt und hart wie der Boden, auf dem er eben noch gelegen hatte, als er daran dachte, was er an diesem Nachmittag würde tun müssen.
Thomas fiel es schwer, die Huren von Rom nicht zu verabscheuen. Evas Sünde lastete auf jeder Frau, die geboren wurde, und sie hatte die Wahl, entweder ein Leben lang Buße zu tun, indem sie eine tugendhafte Ehe führte oder sich zur Keuschheit in einem heiligen Orden verpflichtete, oder aber der Sünde zu erliegen und sich an jeder Straßenecke feilzubieten. Eine Hure war die abscheulichste aller Kreaturen, eine reuelose Sünderin, die sich Evas großem Vergehen hingab, anstatt dagegen anzukämpfen, und jeden Mann in Versuchung führte. Wenn Thomas an all die tugendhaften Frauen dachte, denen er in seinem Leben begegnet war – seine Mutter oder die großartige und nun leider verstorbene Herzogin von Lancaster beispielsweise –, und sie mit den Metzen verglich, denen er an den Straßenecken Roms begegnete, dann konnte er nur schwer die Fassung wahren. Selbst Alice, so sündig sie auch gewesen war, hatte sich nicht auf so widerwärtige Weise feilgeboten, wie diese Huren es taten. Thomas wusste, dass er diese Frauen eigentlich bedauern sollte, doch er konnte es einfach nicht. Jeden Nachmittag vor ihnen auf die Knie zu gehen und ihre ausgestreckten Füße in seine Hände zu nehmen…
»Heute ist Euer letzter Tag«, sagte Bertrand überflüssigerweise, als Thomas vom Tisch des Speisesaals aufstand. »Morgen gehen die Kardinäle ins Konklave… und die Straßen werden nicht mehr sicher sein. Wenn die Wahl vorbei ist, werde ich nach Euch schicken. Ihr wisst, worüber wir sprechen müssen.«
Thomas nickte und verabschiedete sich. Er konnte nicht übel diesen Nachmittag hinaus denken und fragte sich, wie er ihn durchstehen sollte.
Im Hof nahm er einen Holzeimer und mehrere Tücher aus einer kleinen Nische, dann füllte er den Eimer aus einer großen Tonne mit Regenwasser, die daneben stand. Zögernd ging er zum Tor, öffnete es und schritt auf die Straßen von Rom hinaus.
Wenn es in Rom an etwas keinen Mangel gab, so an Huren. Sie bedienten Pilger, Händler und gelegentlich auch Diplomaten und ebenso die große Zahl junger Männer, die noch nicht verheiratet waren. Natürlich befanden sich unter ihren Freiern auch viele Verheiratete. Es hieß, in Rom gäbe es mehr Huren als Ehefrauen und nach seinen vielen Bußgängen zweifelte Thomas nicht mehr daran.
Und er vermutete, dass sie alle über sein Kommen Bescheid wussten.
Es hatte sich rasch unter ihnen herumgesprochen, dass ein demütiger Mönch Buße tun musste, indem er ihnen die Füße wusch, und kaum hatte Thomas das Kloster verlassen, war er bereits von einer Schar Frauen umgeben.
Sie drückten sich an ihn.
Sie rieben ihre Körper an Thomas, und ihre Hände versuchten, unter seine Gewänder zu gleiten. Er stieß sie grob von sich, doch sie lachten nur… und enthüllten ihre Brüste vor ihm, hoben sie einladend an und fragten, ob er nicht eine Kostprobe wolle.
Doch Thomas beachtete sie nicht.
Er ließ das Kloster so weit wie möglich hinter sich, bog noch um zwei Häuserecken, bis die Menge zu groß wurde, und blieb dann stehen.
Er hob den Kopf und blickte sich um.
Es war eines der schwersten Dinge, die er jemals hatte tun müssen.
»Als Buße für meine Sünden«, sagte er leise, »muss ich bis zur Vesper die Füße von Huren waschen. Will eine von euch vortreten und mir ihre Füße hinhalten?«
Die Frauen verstummten, wie immer in diesem Moment. Sie waren verhärtete und verbitterte Kreaturen, die an Schmähungen und die Erniedrigungen ihres Berufes gewöhnt waren, und doch brachte sie dieser demütige Mönch mit seiner einfachen Ankündigung stets zum Schweigen.
Nicht, dass sie Mönchen größeren Respekt entgegengebracht hätten als anderen Männern. Zu viele Mönche hatten sie schon an die Mauern gedrückt und sich ihrer schnell und grob bedient, als dass sie viel von ihnen gehalten hätten.
Aber dieser hier… dieser…
Es war sein Gesicht, dachten sie. Nicht die Tatsache, dass er gut aussah, stark war oder seine Augen unwiderstehlich gewesen wären,
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