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Hueter Der Macht

Hueter Der Macht

Titel: Hueter Der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Händen und gesenktem Blick dagesessen hatte, hob den Kopf.
    »Ich weiß jetzt, Prior Bertrand, dass ich zu Höherem berufen bin, als noch länger unter Eurer Obhut in diesem Konvent zu bleiben.«
    »Was sagt Ihr da?« Vor Erschütterung vergaß sich Bertrand so sehr, dass er leicht auf den Füßen wippte.
    Thomas hielt seinem Blick stand. »Ich bin Wynkyn de Wordes Nachfolger im ewigen Kampf Gottes und der Engel gegen das Böse.«
    Das Gesicht des Priors wurde weiß. »Mit wessen Vollmacht?«, flüsterte er.
    »Mit Gottes Vollmacht und der des heiligen Michael, der mich mehrfach mit seinem Erscheinen ausgezeichnet hat.«
    Bertrand wandte den Blick ab und trat ein, zwei Schritte rückwärts. Er murmelte ein Gebet und schüttelte heftig den Kopf, während Thomas aufstand.
    »Sagt mir, was Ihr über Wynkyn de Worde wisst!«, verlangte Thomas.
    Bertrand schüttelte noch energischer den Kopf. »Nein. De Worde ist tot. Ich muss nie mehr an ihn denken.«
    »Sagt mir, was Ihr wisst.«
    »Bruder Thomas! Ihr vergesst Euch! Ich werde nicht…«
    »Ihr werdet es mir sagen«, sagte Thomas mit leiser Stimme, die dennoch so gebieterisch klang, dass Bertrand von plötzlicher Furcht gepackt wurde.
    Thomas streckte die Hand aus und ergriff einen von Bertrands Ärmeln. Der Prior zuckte zurück, weil er glaubte, Thomas wolle ihn schlagen, doch dieser zog ihn nur herum und drückte ihn auf den Schemel.
    »Ich spreche mit der Stimme des heiligen Erzengels Michael«, sagte Thomas. »Sagt mir, was Ihr über Wynkyn de Worde wisst!«
    Bertrand blickte zu Thomas hoch und erkannte die Macht und den Zorn, die sich auf seinem Gesicht spiegelten. So hatte auch Wynkyn ausgesehen, als Bertrand ihn bei seinem Amtsantritt zu einer Unterredung gerufen hatte.
    Und wie Bertrand damals nachgegeben hatte, so gab er auch jetzt nach.
    War Sant’ Angelo nicht schließlich dem heiligen Erzengel Michael geweiht?
    Bertrand wurde mit einem Mal klar, dass er Thomas so schnell wie möglich aus seinem Konvent und aus Rom haben wollte. Er war ein alter Mann, und er wollte seine Ruhe.
    Der Prior senkte den Blick und seufzte. Der Wille des heiligen Michael mochte nun also geschehen. Sein Gesicht war grau geworden, und die Falten in seiner Haut hatten sich so vertieft, dass sie fast wie Wunden wirkten.
    »Ich bin als junger Mann in dieses Kloster gekommen«, begann Bertrand. »Vielleicht mit dreißig oder zweiunddreißig – nicht viel älter als Ihr jetzt seid –, im Jahr 1345. Ich übernahm das Amt des Priors, obwohl mich viele, Bruder Wynkyn unter ihnen, für zu jung für diese Aufgabe hielten.«
    Thomas faltete die Hände, stand aufrecht da und betrachtete Bertrand schweigend.
    Bertrands Mund zuckte, während er sich erinnerte. »Innerhalb weniger Wochen nach meiner Ankunft stellte ich fest, dass Bruder Wynkyn… anders war. Wie Euch schon aufgefallen ist, kam und ging er, ohne um Erlaubnis zu bitten, und er nahm kaum am Leben des Konvents teil, abgesehen von den Gebeten und Mahlzeiten. Wenn er im Kloster weilte, blieb er in seiner Zelle und las in einem alten Buch, das er dort aufbewahrte.«
    »Was war das für ein Buch?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Aber…«
    »Hört mir zu, und stellt Eure Fragen, wenn ich fertig bin.«
    Thomas neigte zustimmend den Kopf.
    »Etwa drei Wochen nach meiner Ankunft rief ich Bruder Wynkyn zu mir. Er saß auf diesem Schemel hier, und ich stand vor ihm. Ich fragte ihn, mit welchem Recht er seine klösterlichen Pflichten vernachlässige, und wer ihm gestattet habe, zu kommen und zu gehen, wie es ihm beliebe. Er lächelte unfroh und zog einen Brief aus seinem Ärmel. ›Mit diesem Recht‹, sagte er und reichte mir den Brief.«
    Bertrand hielt inne und bekreuzigte sich mit zitternder Hand. Thomas schwieg und wartete darauf, dass Bertrand weitersprach.
    »Es war ein Brief vom heiligen Bonifatius, möge er in Frieden ruhen…«
    Thomas nickte. Bonifatius war bis zu seinem vorzeitigen Tod 1303 ein großer Papst gewesen.
    »… und er enthielt die Anweisung an den Leser, Bruder Wynkyn de Worde jede Unterstützung und Freiheit zu gewähren. Es hieß… es hieß darin, Wynkyn de Worde sei das Werkzeug des heiligen Erzengels Michael auf Erden und dass er den Willen der Engel ausführe. Darin stand außerdem, de Worde habe das Antlitz des Bösen geschaut, und wenn man ihm nicht freie Hand ließe, würde sich das Böse ungehindert ausbreiten.«
    »Ihr habt das nicht angezweifelt.«
    »Nein. Das konnte ich nicht. Jeder weiß, dass Bonifatius

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