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Hueter Der Macht

Hueter Der Macht

Titel: Hueter Der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
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weltlichen Gemeinschaft, waren durch die Pest so dezimiert worden, dass sie über ihre Verluste nie hinweggekommen waren.
    »Ich bete zu Gott, dass es hier jemanden gibt, der sich an Wynkyn erinnert«, murmelte er, als er sein Pferd an einem Ring festband, der in eine Seitenmauer des Klosterhofes eingelassen war.
    Ein junger Mönch, dessen ernstes Gesicht von Aknenarben gezeichnet war, trat aus einer Tür heraus und begrüßte Thomas.
    »Seid herzlich willkommen, Bruder. Dürfen wir Euch die Gastfreundschaft dieses Konvents anbieten?«
    Thomas dankte ihm und fragte, ob er mit dem Prior sprechen dürfte. »Wenn ich ihn nicht beim Gebet störe.«
    »O nein«, sagte der junge Mönch mit einem Lächeln. »Prior Guillaume wird sich über den Besuch freuen.«
    »Sagt mir, ist Prior Guillaume ein alter Mann?«
    »Ja, sehr alt«, sagte der Mönch, und Thomas fragte sich, ob er aufgrund seiner Jugend womöglich alle Männer jenseits der Dreißig für alt hielt. Aber Prior Guillaume war tatsächlich alt – uralt, dachte Thomas und hoffte, dass er nicht nur während der Pest im Kloster gewesen war, sondern sich auch erinnern konnte, ob Wynkyn hier eingekehrt war. Guillaume war sehr dick – sein Kopf saß auf vier oder fünf zitternden Kinnfalten –, doch für seinen Leibesumfang erstaunlich behände und offenbar erfreut, einen Besucher zu empfangen.
    »Bruder… Thomas?«, fragte er in wohltönendem Latein, das keinerlei Akzent verriet. »Was führt Euch in unser bescheidenes Kloster? Und woher kommt Ihr? Bitte, setzt Euch doch. Bruder Gerhardt holt Euch etwas Wasser – nein, keine Sorge, es ist vollkommen sauber und genießbar –, damit Ihr Euch erfrischen könnt. Nun…?«
    Guillaume setzte sich auf eine stabil gezimmerte Bank und blickte Thomas fragend an.
    »Mein Heimatkloster befindet sich im Norden Englands, Prior Guillaume…«
    »Ah, ein herrliches Land!«
    »… aber ich komme aus dem Konvent Sant’ Angelo in Rom.«
    Guillaume stockte ein paar Herzschläge lang der Atem. Seine Haut nahm einen auffallend wächsernen Grauton an und seine Wangen zitterten.
    »Aha«, sagte er schließlich und wischte sich mit der Hand über die Oberlippe. »Prior Bertrand erkundigt sich also endlich doch nach dem Verbleib von Bruder Wynkyn.«
    Das stimmte natürlich nicht ganz, doch es kam Thomas’ Vorhaben entgegen, deshalb nickte er nur.
    Guillaume seufzte tief. »Nun, ich will Euch erzählen, was ich weiß, und dann könnt Ihr Euch wieder auf den Weg machen.«
    Gastfreundschaft ist hier nicht zu erwarten, dachte Thomas. Nicht, wenn es eine Verbindung zwischen einem Besucher und Wynkyn de Worde gibt.
    »Wynkyn hat uns verlassen, als die Pest am schlimmsten wütete«, sagte Guillaume, »und trug selbst die Pest in sich. Zweifellos ist er, bald nachdem er aufgebrochen war, daran gestorben.«
    »Und wohin ist er gegangen?«
    Guillaume zuckte die Achseln; sein Hals verschwand, als er die Schultern hob. »Er ist auf der Straße nach Bamberg gen Norden gereist, Bruder Thomas. Ich weiß nicht, wo genau – wenn überhaupt – er sie verlassen hat.«
    »Aber sicherlich…«
    »Bruder Wynkyn war ein sehr verschlossener Mann«, sagte Guillaume, »und hat seine Geheimnisse gut gehütet. Ich weiß nur, dass er dieselbe Richtung eingeschlagen hat wie stets, wenn er unser Kloster wieder verließ, doch diesmal ist er nicht zurückgekehrt. Wie ich schon sagte, ist er vermutlich wenige Tage, nachdem er bei uns war, der Pest erlegen. Er war ein sehr kranker Mann.«
    Thomas rutschte ungeduldig hin und her. »Es muss doch noch etwas anderes geben, was Ihr mir berichten könnt, Prior Guillaume.«
    Guillaume öffnete den Mund, um Thomas für seine vorlaute Frage zu tadeln, doch dann erinnerte er sich tatsächlich noch an etwas. »Er hat einmal das Dorf Asterladen erwähnt. Es befindet sich etwa eine Tagesreise von hier entfernt in nördlicher Richtung. Es tut mir leid, Bruder, aber mehr kann ich nicht für Euch tun. Werdet Ihr sofort wieder aufbrechen?«
    »In Kürze. Da ist noch etwas. Wynkyn hatte eine Schatulle bei sich…«
    »Ah!« Guillaume riss die Hände hoch. »Diese verfluchte Schatulle! Die hat mir so viel Ärger bereitet. Ich hätte sie verbrennen sollen.«
    »Das habt Ihr doch hoffentlich nicht getan!«
    »Nein. Aber ich hätte es tun sollen.« Guillaume seufzte, seine Finger krallten sich tief in das Fleisch seiner Oberschenkel. »Wynkyn hat mich gebeten, für den Fall, dass er nicht zurückkehrt, und er ist ja nicht

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