Hüter der Macht
und wand sich in Zuckungen, als hätte sie einen Anfall von Fallsucht. Unsägliche Qual und Todesangst standen in ihren weit aufgerissenen Augen. Und dann quoll ein weißlicher Schaum aus ihrem Mund.
Tessa riss sich zusammen. »Hilfe!«, schrie sie aus Leibeskräften. Sie eilte zur Tür und riss sie auf. »Hilfe! Die Herrin! Sie hat einen Anfall! Hilfe!« Ihre Rufe gellten durch den Palazzo. Dass Lionetto schon im nächsten Moment vor ihr auf dem Gang auftauchte, daran erinnerte sie sich erst viel später, als ihr Schicksal schon längst besiegelt war. Aber auch wenn es ihr sofort verdächtig gewesen wäre, hätte es nichts daran geändert. Denn sie war nur eine Sklavin und er war Anwärter auf eines der Priorenämter bei der nächsten Wahl.
»Was redest du da?«, herrschte er sie an. »Wovon soll die Herrin einen Anfall bekommen haben?«
»Ich weiß es nicht, Herr! Aber Ihr müsst sofort einen Medicus rufen!«
Während die Dienerschaft verstört zusammenlief und herauf ins Obergeschoss hastete, stieß Vasetti Tessa zur Seite, stürzte in das Gemach seiner Frau und kniete sich zu ihr auf den Boden.
»Barmherziger, sie ist tot! Der Herr sei ihrer armen Seele gnädig!«, stieß er hervor. Dann fuhr er herum. »Sie ist vergiftet worden! Der Schaum vor dem Mund und das blau verfärbte Gesicht lassen gar keinen Zweifel zu!« Langsam erhob er sich und baute sich vor Tessa auf. »Du verdorbenes Ding! Du hast meine arme Frau vergiftet!«
Tessa erbleichte. »Das ist nicht wahr! Warum sollte ich so etwas Entsetzliches tun? Ich bin Eurer Frau immer treu zu Diensten …«
»Schweig, du verfluchte Giftmischerin!«, brüllte Vasetti.
Der alte Diener Rutino und der Stallknecht Maffeo drängten sich ins Zimmer und bekreuzigten sich, als sie den leblosen Körper ihrer Herrin neben dem Sessel liegen sahen.
»Ich weiß sehr wohl, was dich zu deiner schändlichen Tat verleitet hat!«, fuhr Vasetti fort. Ein bösartiger, höhnischer Ausdruck trat auf sein Gesicht. »Bestimmt hast du geglaubt, ich würde dich auf dem Sklavenmarkt verkaufen, weil ich für dich nun keine Verwendung mehr habe, und dann könnte dieser nichtswürdige Bursche, der mit den Medici paktiert, dich freikaufen! Aber daraus wird nichts! Du hast dein gottloses Verbrechen nicht schlau genug geplant. Damit kannst du weder mich noch die Obrigkeit in die Irre führen!«
»Nichts davon ist wahr!«, beteuerte Tessa. »Nie im Leben würde ich …«
Vasetti holte aus und versetzte ihr einen heftigen Schlag ins Gesicht, sodass sie gegen den Türrahmen taumelte.
»Halt deinen dreckigen Mund, aus dem nichts als Lügen kommen, du verfluchte Verbrecherin!«, schrie er sie an. »Ich habe deinen teuflischen Plan durchschaut! Und ich bin sicher, dass wir Beweise für deine ruchlose Tat finden werden!« Er wandte sich an seinen alten Diener. »Rutino, geh in ihre Kammer und durchsuch sie gründlich, ob sie dort etwas versteckt hat, was als Beweis taugt!«, befahl er. »Lass keinen Winkel aus. Klopf auch die Bodenbretter ab. Vielleicht gibt es darunter einen Hohlraum, wo sie das Gift versteckt haben könnte. Und sieh auch in ihrem Strohsack nach.«
»Sehr wohl, Herr«, murmelte Rutino und hastete aus dem Gemach.
»Und du, Maffeo, holst einen Strick und bindest der Giftmischerin die Hände auf den Rücken! Einer von euch soll die Büttel benachrichtigen, damit sie die Verbrecherin abholen.«
»Sehr wohl, Herr!« Die Diener eilten aus den Gemächern.
Tessa rieb sich die schmerzende Wange und kauerte sich zusammen. Tränen liefen über ihre Wangen. Vasetti musterte sie schweigend und in seinem Blick lagen nicht etwa Trauer und Entsetzen, sondern Hohn und Spott.
Es dauerte nicht lange, bis Rutino zurückkehrte. Sein Gesicht war weiß wie eine frisch gekalkte Wand. In der einen Hand hielt er ein Bündel Briefe und in der anderen ein mit einem Korken verschlossenes kleines Fläschchen aus grünem Glas. Um den Hals war ein Band gebunden, auf das ein Totenkopf gemalt war.
»Das hier habe ich in ihrem Strohsack gefunden, Herr«, sagte er erschüttert.
»Gift! Ich habe von Anfang an gewusst, dass sie den Mord begangen hat!«, stieß Vasetti triumphierend hervor. Seine Augen funkelten bösartig. »Dafür wird sie am Strick baumeln!«
Als wenig später die Büttel im Palazzo Vasetti erschienen, gab es auch für sie keinen Zweifel, dass Tessa den Mord verübt hatte. Die Beweise waren erdrückend.
»Werft sie in den Kerker!«, forderte Lionetto die Büttel nach kurzem Wortwechsel
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