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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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verkrüppelt, darauf kannst du Gift nehmen. Wenn es anders wäre, würde mir jetzt wohl kaum diese Schenke hier gehören.«
    Sandro machte große Augen. »Du hast es in einem Jahr sogar zum Besitzer einer Taverne geschafft?«, stieß er ungläubig hervor.
    Jacopo nickte amüsiert. »Ja, das Lombrico, so heißt unsere Schenke, gehört jetzt mir. Früher hieß sie Minerva und ich hatte einen Partner, dem die andere Hälfte gehörte. Vor zwei Wochen haben wir uns im Suff auf eine Wette eingelassen. Jeder musste raten, wie viele Regenwürmer in einem alten Becher herumgewimmelt sind. Der Einsatz war unser Anteil an der Schenke. Ich lag mit meiner Zahl gar nicht mal so übel. Zumindest weniger daneben als er. Und seitdem gehört die Schenke mir und heißt nun Lombrico.«
    »Verrückt«, murmelte Sandro kopfschüttelnd.
    Jacopo grinste. »Ja, so kann es gehen, des einen Verlust ist des anderen Gewinn. Die Schenke wirft zwar noch keinen allzu großen Ertrag ab, weil wir den Laden erst im September übernommen haben. Aber ich bin sicher, dass ich bei dem Handel auf Dauer verdammt gut abschneiden werde«, erklärte er und fügte dann noch mit einem verschmitzten Augenzwinkern hinzu: »Außerdem habe ich ja, wie gesagt, mehrere andere hübsch köchelnde Kessel über verschiedenen Feuern hängen.«
    Auch wenn Jacopo seinen Aufstieg vom schmutzstarrenden Bettler zum geckenhaft gekleideten Tavernenbesitzer durch Schmuggel, Hehlerei, Glücksspiel und Zuhälterei erreicht hatte, so konnte Sandro doch nicht anders, als ihm Respekt dafür zu zollen. Denn welche anderen Wege standen einem halben Krüppel und im Gesicht derart hässlich entstellten Mann wie ihm denn auch offen, um der entsetzlichen Armut und dem tagtäglichen Elend eines Lebens auf der Straße zu entkommen?
    Es war leicht, über jemanden wie Jacopo Paco ob seiner anrüchigen und sogar unter Strafe stehenden Geschäfte den moralischen Stab zu brechen und ihn dafür vor dem Richter stehen sehen zu wollen. Aber wenn man selbst einmal mittellos jahrelang durch Stadt und Land gezogen war, so wie er, Sandro, und das sogar als gesunder und kräftiger Mann, dann sah man die Dinge nicht mehr so schwarz und weiß wie all jene, die in Brot und Lohn standen oder sich gar Bedienstete leisten konnten und in weichen Betten schliefen!
    Sandro verbrachte noch eine ganze Weile mit Jacopo in der Hinterstube des Lombrico. Denn nun war es an ihm, davon zu erzählen, was ihn nach Florenz geführt hatte und wie es ihm erging. Den verhinderten Mordanschlag auf Cosimo verschwieg er natürlich, berichtete ihm jedoch alle anderen Ereignisse so, wie sie sich zugetragen hatten.
    Jacopo nickte anerkennend, als er hörte, dass Sandro in den Diensten der Medici stand und nun Lehrling in deren Tavola am Mercato Nuovo war.
    »Ja, auch mit mir hat es das Schicksal sehr gut gemeint«, sagte Sandro abschließend und stellte zufrieden fest, dass sein Kopf inzwischen schon viel weniger schmerzte.
    »Und hast du schon ein Auge auf ein hübsches Mädchen geworfen, das dir möglichst bald dein Bett wärmt?«, fragte Jacopo mit spöttischem Unterton.
    Sandro schüttelte den Kopf. »Bevor ich auch nur daran denken kann, eine Familie zu gründen, wird noch viel Wasser den Arno hinunterfließen«, sagte er ausweichend.
    »Dann lass dich doch öfter bei mir im Lombrico blicken. Ich würde mich freuen, dich wiederzusehen, Sandro. Dein Wein geht von jetzt an aufs Haus, und wenn dir eines meiner Mädchen gefällt, verzichte ich bei eurem Schäferstündchen sogar auf meinen Anteil.«
    Sandro dankte ihm verlegen. »Was den Wein angeht, so komme ich gern auf dein Angebot zurück. Das andere interessiert mich nicht.«
    »Ganz wie du willst. Aber wenn es dich doch mal heftig zwickt, dann schau einfach bei uns vorbei.«
    Sandro versprach es.
    Wenig später machte er sich auf den Heimweg. Die Nacht war längst einem dunkelgrauen Morgen gewichen und die Straßen und Gassen waren schon wieder voller Menschen, die ihrem Tagwerk nachgingen.
    Er überquerte den Arno und ließ sich durch die Straßen treiben, vorbei an der Kirche Santa Maria Novella. Bei ihrem Anblick dachte er an Tessa und Erinnerungen an die kurzen Gespräche mit ihr nach der Sonntagsmesse stiegen in ihm hoch.
    Ziellos ging er weiter. Er hatte so viel Glück gehabt in den vergangenen Monaten. Endlich hatte sein Leben eine Wendung zum Guten erfahren. Ja, er konnte stolz sein auf das, was er bisher erreicht hatte, das wurde ihm plötzlich so richtig klar.
    Und

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