Hüter der Macht
Euch zu ersparen!«
Fassungslos starrte Sandro auf Averardo de’ Medici, der mit wehendem scharlachroten Umhang und in Begleitung eines jungen Wärters im Kerker auftauchte. Dabei wedelte er mit einem Schreiben.
»Was habt Ihr hier zu suchen, Averardo? Diese Sache geht Euch nichts an!«, stieß Lionetto sofort hervor. Seine Miene verfinsterte sich. »Sie liegt in den Händen des Gerichtes und gleich in denen des Kerkermeisters!«
»Da irrt Ihr Euch, mein werter Lionetto«, erwiderte Averardo und lächelte übers ganze Gesicht. »Die Anklage gegen Sandro Fontana ist fallen gelassen worden und man hat den Befehl erteilt, ihn auf der Stelle wieder auf freien Fuß zu setzen!«
»So, auf wessen Befehl denn? Vielleicht auf den des Hauses Medici?«, fragte Lionetto abfällig. »So weit reicht die Macht Eures Goldes noch nicht! Und gottlob gibt es Kräfte in der Stadt, die das auch in der Zukunft zu verhindern und Euch Emporkömmlinge in Schach zu halten wissen!«
»Auf Befehl der Signoria, die ein dementsprechendes bollettino ausgestellt hat«, teilte Averardo ihm kühl mit. »Hier, lest selber!« Und damit schlug er ihm das Schreiben vor die Brust.
Lionetto griff nach dem Schriftstück, hielt es ins Licht der nächsten Fackel und machte erst ein ungläubiges, dann ein wutentbranntes Gesicht. »Das … Das kann unmöglich mit rechten Dingen zugegangen sein!«, empörte er sich.
Averardo kniff die Augen zusammen und reckte angriffslustig sein Kinn vor. »Wollt Ihr vielleicht die Autorität der Signoria infrage stellen?«, fragte er scharf. »Dieses Schreiben hebt die Strafverfolgung von Sandro Fontana mit sofortiger Wirkung auf.«
Sandro schnappte nach Luft. Konnte es wirklich wahr sein, was er da hörte?
»Ihr gestattet?« Der Kerkermeister nahm dem wutschnaubenden Lionetto das Bollettino aus der Hand und studierte sorgfältig das Schreiben wie auch die Siegel, mit denen es versehen war. Dann zuckte er mit den Achseln. »Es hat alles seine Richtigkeit. Das Bollettino ist von der Signoria und bestimmt die Aussetzung der Strafverfolgung sowie die sofortige Freilassung des Beschuldigten Sandro Fontana. Daran gibt es nichts zu rütteln!«
Er gab das Schreiben an drei Männer weiter, die sich bisher im Hintergrund aufgehalten hatten und die Sandro in seiner Panik noch gar nicht aufgefallen waren. Es waren die Gerichtsvertreter, die nun ihrerseits das Schreiben prüften.
»Komm, lass uns gehen«, wandte sich Averardo währenddessen an Sandro und fasste ihn am Arm. »Hier ist gesagt, was es zu der Sache zu sagen gab. Sehen wir zu, dass wir diesen unerfreulichen Ort mit seiner nicht weniger unerquicklichen Gesellschaft verlassen.«
Damit drehte er sich zur Tür und ließ Lionetto ohnmächtig vor Zorn an der Seite des Kerkermeisters zurück.
Wie in Trance folgte Sandro dem Medici und dem jungen Wärter über die Treppen und durch die dunklen Gänge des Gefängnisses. Noch immer konnte er nicht fassen, was soeben geschehen war. Doch dann lagen die schauerlichen Katakomben und verschlungenen Gänge des festungsartigen Kerkerbaus hinter ihm, ein schweres Tor öffnete sich und er blinzelte in das schmerzhaft helle Sonnenlicht des Tages. Überwältigt von unsäglicher Erlösung und Dankbarkeit schossen ihm Tränen in die Augen.
Das Leben, vor wenigen Minuten noch verwirkt geglaubt, hatte ihn wieder!
13
S ie saßen in einer Schenke, an einem Tisch in der hintersten Ecke, wo niemand hören konnte, was sie zu bereden hatten.
Averardo hatte Wein bestellt und musterte nun mit missmutiger Miene, wie Sandro nach seinem Becher griff und ihn langsam zum Mund führte. Er verschluckte sich und hustete.
»Was, in Gottes Namen, hat dich Einfaltspinsel bloß geritten, Lionetto Vasetti auf offener Straße zu drohen?«, begann Averardo unheilschwanger. »Einem Mann, der zu den Mächtigsten der Stadt gehört und dann auch noch zu den Parteigängern der Albizzi-Brut! Du kannst von Glück sagen und all deinen Schutzheiligen auf Knien danken, dass Matteo Trofaldo zufällig mitbekommen hat, wie du verhaftet worden bist. Und wenn er das nicht auf der Stelle Cosimo gemeldet hätte und wenn mein Cousin nicht unverzüglich mich damit beauftragt hätte, bei einigen Prioren ausstehende Gefälligkeiten einzufordern und von ihnen in Windeseile einen Bollettino für dich zu erwirken, würdest du jetzt auf der Folterbank liegen und einen verteufelt guten Vorgeschmack auf die Qualen der Hölle bekommen! Himmel, wie konntest du dich bloß so tief in
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