Hüter der Macht
die Scheiße reiten, dass dir ohne Cosimos Eingreifen der Galgen sicher gewesen wäre?«
»Ich … Ich … verstehe selbst nicht, wie ich … eine solche Dummheit machen konnte«, stammelte Sandro und senkte schuldbewusst den Blick.
Averardo grunzte ungehalten und leerte seinen Becher in einem Zug. »Also gut«, sagte er unwirsch. »Wir fangen ganz von vorn an. Du erzählst mir jetzt alles und lässt dabei keine Silbe aus, hörst du?«
Stockend begann Sandro seinen Bericht.
»Zum Teufel noch mal, ich hätte dich für klüger gehalten!«, fluchte Averardo, als der junge Mann geendet hatte, und hieb mit der Faust auf den Tisch. Doch sein Gesicht sah nicht mehr ganz so zornig aus und manchmal während Sandros Erzählung hatte er sogar mitleidig sein Gesicht verzogen. Er beugte sich vor. »Merk dir eins, Sandro Fontana.« Er schüttelte den Kopf. »Einen Mord kündigt man nicht an. Man führt ihn verschwiegen und heimlich aus, und damit basta!«
»Ich weiß, es war verrückt, und ich begreife es ja selbst nicht, dass ich so eine … eine hirnlose Dummheit begangen habe«, murmelte Sandro zerknirscht. »Ich werde es Euch und Ser Cosimo niemals vergessen und mein Leben lang in Eurer Schuld stehen, dass Ihr mich vor der Folter und dem Galgen bewahrt habt.«
Averardo lachte trocken auf. »Keine Sorge, du wirst schon noch Gelegenheit bekommen, dich dafür erkenntlich zu zeigen.« Er griff zum Krug, um Wein nachzuschenken. Plötzlich war seine schlechte Laune wie weggeblasen. »So, die Kleine ist dir also zweihundert Goldflorin wert, ja?«, schmunzelte er.
Sandro nickte. »Und wenn es sein muss, sogar noch mehr.«
Der Medici verzog das Gesicht zu einer spöttischen Miene. »Nun, das viele Geld wirst du offenbar sparen können, da du dir ihren Freikauf jetzt ja wohl ein für alle Mal aus dem Kopf schlagen kannst.«
Sandro schluckte und biss sich auf die Lippen.
Averardo seufzte bei seinem Anblick. »Sandro, du wirst dich wohl oder übel damit abfinden müssen, dass deine Tessa Sklavin bei den Vasetti bleibt. Aber …«, er zögerte kurz und zog nachdenklich die Unterlippe zwischen die Zähne, »… das bedeutet nicht, dass wir diesem Schweinehund Vasetti freie Hand bei ihr lassen müssen. Allein schon die dreiste Beleidigung des Hauses Medici, zu der er sich im Kerker verstiegen hat, verlangt nach einer gebührenden Antwort.«
Sandro runzelte die Stirn. »Wir? Wie meint Ihr das?«
»Das Haus Medici beleidigt man nicht ungestraft! Aber wie ich eben schon gesagt habe: Heute macht man das heimlich, still und leise.« Er strich sich über den Mund. »Es gibt viel feinere Mittel, um diese Krämerseele Lionetto Vasetti in die Schranken zu weisen und zugleich dafür zu sorgen, dass er seine dreckigen Hände von deiner Tessa lässt.«
»Und wie soll das geschehen?«
Averardo lächelte hintergründig. »Das lass mal meine Sorge sein. Ich weiß auch schon, was zu tun ist«, sagte er vage. »Wir werden Lionetto Vasetti ein Geschenk machen!« Er hob seinen Becher und nickte Sandro zu.
»Ein Geschenk?« Sandro verstand kein Wort.
»Ein ganz besonderes Geschenk.« Er beugte sich vor. »Also pass auf, mein Junge, jetzt erkläre ich dir mal, wie wir Medici so eine Sache angehen.«
Es war eine ganze Weile später, als sich Averardo in seinem Stuhl zurücklehnte. Sandro war noch immer ganz erfüllt von dem, was er eben gehört hatte.
»Ich brauche dir wohl nicht zu sagen, dass dieses Gespräch unser Geheimnis bleiben muss, oder?«, raunte Averardo. »Du wirst niemandem davon erzählen, auch deiner Tessa nicht! Haben wir uns verstanden?«
»Ihr könnt Euch auf mich verlassen!«, versicherte Sandro schnell.
»Das will ich auch hoffen! Deinem Freund Matteo habe ich schon deutlich zu verstehen gegeben, dass er den Mund zu halten hat. Die Sache darf nicht nach außen dringen. Es gibt auch so schon genug böses Blut zwischen uns Medici und dem Lager der Albizzi!«
Sandro nickte hastig.
»Gut. Nun, dann sieh jetzt zu, dass du zurück in die Bank kommst und dir anhörst, was Cosimo dazu zu sagen hat. Mein Cousin erwartet dich bereits.«
Im Palazzo in der Via Larga eingetroffen, bat Sandro um ein Gespräch mit Cosimo und wurde unverzüglich zu ihm ins Kontor vorgelassen. Sandro fürchtete, dass Cosimo von ihm zutiefst enttäuscht sein würde. Bestimmt würde er hart mit ihm ins Gericht gehen und ihm zu alledem noch sein Vertrauen entziehen.
Er trat ein und wollte sich gerade voller Scham und Reue entschuldigen, als Cosimo ihm
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