Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)
die Papierherstellung statt, eine Kunst, in die ihr bald eingeführt werdet. Doch zum Anfang möchte ich euch euren Arbeitsraum zeigen. Folgt mir bitte.“
Sie verließen den Saal, durchschritten die Eingangshalle und stiegen auf einer breiten steinernen Treppe einen Stock höher. Madame Foucault führte die beiden Kinder durch einen Korridor mit hohen Spitzbogenfenstern, der ebenfalls verlassen schien.
Vor einer offenen Tür blieb Emily stehen. Der Saal, der sich dahinter befand, sah sehr beeindruckend aus. In vier endlos langen Reihen standen sich dort dunkle hölzerne Stühle mit geschnitzten Lehnen gegenüber.
„Der Versammlungsraum der Bibliothekare“, erklärte Madame Foucault, die ebenfalls stehen geblieben war. „Hier werden die Geschicke Arcanastras geleitet. Ihr wisst bestimmt, dass jeder Bibliothekar zuerst Buchbinder war… vielleicht werdet auch ihr eines Tages hier sitzen.“
Dann führte sie die Kinder noch ein Stockwerk höher. Dieses schien aus lauter Korridoren zu bestehen, die sehr verschlungen waren und sich immer wieder verzweigten. Emily schaute sich neugierig um. Die Wände und die Decke des Korridors waren mit Holz getäfelt. In regelmäßigen Abständen hingen marmorne Platten, deren Inschriften sie jedoch nicht entziffern konnte. Dazwischen brannten zahlreiche Gaslampen. Zwar gab es Fenster, doch vor allen waren schwere Vorhänge gezogen.
„Tageslicht schadet dem Papier“, erklärte Madame Foucault, als sie Emilys Blick bemerkte.
Nach einer weiteren Abzweigung gelangten sie in einen breiteren Korridor. Dort reihten sich unzählige Arbeitsräume aneinander. Bei den meisten von ihnen stand die Tür offen.
Die Räume ähnelten sich. Schreibtische aus massivem, glänzendem Holz und schwere Sessel standen darin. An einer Wand gab es einen Kamin, und auch vor diesen Fenstern hingen schwere rote Samtvorhänge. Gaslampen erhellten die Räume. Emily sah in jedem davon einen oder mehrere Buchbinder sitzen.
„Und hier arbeite ich“, erklärte Madame Foucault nach einer Weile. Emily schaute in den Arbeitsraum der Obersten Bibliothekarin. Dieser unterschied sich kaum von den anderen.
„Hast du gesehen?“, flüsterte Emily Miki zu. Auf der Rückseite des Raumes hatte sich für einen Moment eine verborgene Tür geöffnet. Emily konnte jedoch nur einen kurzen Blick auf den Mann mit den langen blonden Haaren werfen, der in dem schmalen Korridor dahinter stand. Dann schwang die Tür lautlos zu.
„Was?“, flüsterte Miki zurück, doch der Eingang war bereits nicht mehr zu sehen.
„Ach, nichts“, murmelte Emily.
Endlich blieb Madame Foucault vor einem winzigen Raum stehen. Mit den zwei Schreibtischen und den zwei Sesseln war er beinahe bis auf den letzten Zentimeter ausgefüllt.
„Und das hier wird euer Arbeitsraum sein“, erklärte sie. „Nehmt ruhig Platz.“
Emily und Miki setzten sich in die bequemen Sessel und lächelten sich über die Tische hinweg an. Auf diesen lagen Stapel von Papier, es gab Leimtöpfe, Bindfäden und Nadeln… alles Utensilien, die Emily bereits von ihrem Vater kannte, die man brauchte, um Bücher zu restaurieren oder neue herzustellen.
„Es liegt euch im Blut, Buchbinder zu sein“, verkündete Madame Foucault. Danach schwieg sie und sah die beiden Kinder aufmerksam an. Emily wartete darauf, dass sie weitersprach, doch die Oberste Bibliothekarin machte keine Anstalten dazu. Etwas verunsichert schaute Emily zu Miki. Der schien allerdings tief in Gedanken versunken zu sein.
Wahrscheinlich hatte Madame Foucault Recht, dachte Emily. Auch Sophia hatte das gesagt – das Handwerk des Buchbinders hatte in der Familie der Rubinsterns eine lange Tradition.
Schließlich schien die Oberste Bibliothekarin der Meinung zu sein, die Pause habe lange genug gedauert. Sie fuhr fort:
„Die wichtigste Aufgabe der Buchbinder ist es, sich um die Werke der Bibliothek zu kümmern. Alles kommt von diesen Büchern, alles hängt von ihnen ab… alles . Arcanastra wäre bedeutungslos ohne sie. Wir Buchbinder erhalten sie und damit das Wissen in ihnen, damit all die anderen Hüter es für ihre Arbeit nutzen können – die Konstrukteure von Mechaniken, die Heiler, die Sterngucker, die Mitarbeiter des Bestiariums.“
Wieder machte sie eine Pause und fuhr dann fort:
„Wir restaurieren beschädigte Exemplare und erneuern die Schriften und Skizzen, wenn sie allmählich verblassen. Es ist deshalb wichtig, dass ihr euch im Zeichnen übt und auch die verschiedenen Schriften der
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