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Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Titel: Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Richner
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betrachtete neugierig all die Geschäfte, an denen sie vorüberkamen, die Hut- und Tabakläden, die Auslage eines Uhrmachers, die Wirtshäuser.
    Vor einem kleinen Varieté hielten sie an. Der Besitzer vermietete die Bühne zu ziemlich hohen Preisen an durchreisende Gaukler. Crispin erinnerte sich, dass sie auch bei ihrem letzten Besuch ihre Kunststücke hier aufgeführt hatten. Die Leute hatten schon damals kaum Geld gespendet. Er seufzte. Er brauchte dringend neue Kleider, aber Ambra hatte ihm noch keine kaufen können.
    Das Varieté war ziemlich klein. Es gab eine schmale Bühne mit einem Samtvorhang und einige wenige Reihen rot gepolsterter Sessel. Viele Zuschauer verirrten sich nicht in die Aufführung. Die meisten von ihnen gähnten gelangweilt, obwohl Ambra und Ignazio immer neue Stofftücher umherflattern ließen wie einen Schwarm Schmetterlinge und Demetrio stundenlang Feuer spuckte. Crispin drängte sich zwischen den Reihen hindurch und streckte den Zuschauern den Hut hin.
    „Eine kleine Spende“, murmelte er immer wieder. Einige zogen tatsächlich ihren Geldbeutel hervor, doch die meisten schubsten Crispin unsanft zur Seite.
    „Wir haben schon Eintritt bezahlt“, knurrten sie.
    Am Ende des Tages befanden sich nicht allzu viele Münzen im Hut. Auf seine neuen Kleider würde Crispin noch eine Weile warten müssen. Er war müde und schlecht gelaunt. Heute hatte es ihn mehr als an anderen Tagen gestört, dass er kein richtiger Gaukler war. Was war das für ein Leben, wenn man sogar an seinem Geburtstag stundenlang mit dem Hut durch die Reihen der Zuschauer gehen musste und ständig geschubst wurde?
    Nach dem Abendessen verabschiedeten sich Crispin und Demetrio, um ein wenig durch die Stadt zu laufen.
    „Aber kommt zurück, bevor es dunkel wird“, verlangte Ambra, während sie ihnen einige Münzen zusteckte. Crispin wusste, weshalb sie so besorgt war. An allen Litfaßsäulen der Stadt waren Zettel mit Warnungen aufgehängt, und Crispin konnte den Text bereits auswendig:
     
    Mitteilung des Parlamentes an die Einwohner der Stadt
     
    Es wird ausdrücklich davor gewarnt, nach Einbruch der Dunkelheit die Häuser zu verlassen. Durch Augenzeugenberichte ist bekannt, dass mehrere Irrlichter in die Stadt vorgedrungen sind und versuchen, Menschen zu entführen. Äußerste Vorsicht ist geboten. Das Parlament unternimmt alles, um das Problem in den Griff zu bekommen. Weitere Informationen folgen.
     
    Demetrio und er versprachen, rechtzeitig zurück zu kommen, dann zogen sie los.
    Die Straßen waren voller Menschen. Crispin hätte gerne hier gewohnt. Das Leben bei den Gauklern war ihm zu einsam. Er sah oft tagelang niemanden außer seiner Familie. Hier in der Stadt hätte er sich Freunde suchen können; Menschen, die wie er waren, die auch keine Gaukler waren und sich nicht darum kümmerten.
    Bei jedem Wirtshaus, an dem sie vorüberkamen, dachte Crispin an seine eigene Geschichte. Wie war er damals ins Wirtshaus in der Ringstadt gekommen? Hatten seine Eltern ihn vergessen oder absichtlich dort zurückgelassen? Und als sie erfahren hatten, dass die Gaukler ihn mitgenommen hatten – waren sie da froh gewesen? Oder hatten sie es bedauert, wenigstens für einen winzigen Moment?
    Gerüchte schwirrten durch die Luft. Immer wieder hörte Crispin, wie die Menschen sich über die Irrlichter unterhielten.
    „… nicht das erste Mal…“
    „… gehört, dass ein Kind verschwunden ist…“
    „…versuchen nicht einmal, uns zu helfen, die verfluchten Hüter…“
    „… vielleicht die Gilde, du weißt schon, die Gilde der Geister…“
    Crispin horchte auf. Rasch zog er Demetrio mit sich und folgte dem jungen Mann, der das gesagt hatte. Er bog mehrere Male ab und verschwand in einer Gasse. Als die beiden Jungen keuchend um die Ecke bogen, lag die Gasse aber schon wieder verlassen da. Eine Weile suchten sie noch nach dem Mann, dann gaben sie enttäuscht auf.
    „Ich gehe zum Wagen zurück“, sagte Crispin. Demetrio wollte noch ein wenig länger durch die Straßen ziehen, und so trennten sie sich.
    In einer Nebengasse tauchte auf einmal ein Mann neben Crispin auf und zupfte ihn am Ärmel. Er trug einen weiten Umhang und hatte sich eine Kapuze über den Kopf gezogen. Mit verschwörerischer Miene flüsterte er:
    „Hast du vielleicht Interesse an einem guten Geschäft?“
    Crispin schüttelte ihn ab. Er kannte Männer wie diesen.
    „Nein, habe ich nicht“, gab er schroff zurück, doch der Mann blieb beharrlich.
    „Komm

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