Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)
doch wenigstens mit und schau es dir an, kostet dich nur eine Minute. Ich habe…“, er senkte die Stimme und schaute sich um, „äußerst günstige Mechaniken aus Arcanastra, und sogar einige Seiten aus verborgenen Büchern.“
Crispin seufzte ungehalten und ging an dem Mann vorbei, ohne auf die Flüche zu achten, die er ihm nachschickte. In allen Städten gab es solche schmierigen Kerle. Dabei wusste jeder, dass die Hüter nur sehr wenige Mechaniken in die umliegenden Städte lieferten, und das zu einem hohen Preis. Und ihre Bücher hüteten sie wie ihren Augapfel… niemals hätten sie zugelassen, dass auch nur eine Seite davon aus Arcanastra herausgetragen würde.
Der Wagen stand noch immer auf dem Platz vor dem Parlament. Crispin strich den beiden Pferden über den Rücken und wollte gerade in den Wagen klettern, als er erstarrte. Drinnen saßen Ambra und Ignazio, ohne ihn zu sehen, und unterhielten sich, über ihn.
„Ich weiß, du hast ein weiches Herz“, sagte Ignazio. „Und ich muss zugeben, ich habe mich ebenfalls an den Jungen gewöhnt. Er ist schon so lange bei uns…“
„Eben“, unterbrach ihn Ambra. „Er ist fast wie ein Sohn.“
„… aber er gehört nicht zu uns“, fuhr Ignazio unbeirrt fort. Crispins Herz schlug schneller.
„Du weißt, wir haben nicht viel Geld, und Crispin…“
„Er ist kein wirklicher Gaukler, na und?“, sagte Ambra heftig. „Er gibt sich Mühe, und er geht mit diesem Hut herum, ohne sich jemals zu beklagen.“
„Er ist unglücklich, das musst du doch sehen“, antwortete Ignazio. „Glaub mir, Ambra, es geht mir nicht nur um uns, sondern auch um den Jungen. Soll er sein Leben lang mit uns umherziehen? Denkst du wirklich, das könnte ihn glücklich machen? Vielleicht sollten wir nach seinen Eltern suchen.“
„Du willst zurück in die Ringstadt?“, fragte Ambra erschrocken. „Und wenn wir sie finden?“
„Dann erinnern wir sie daran, dass man für sein Kind verantwortlich ist, und geben ihnen Crispin zurück.“
Crispin hatte genug gehört. Leise entfernte er sich vom Wagen und ließ sich in einer nahen Gasse gegen eine Mauer sinken. Obwohl er sich so oft vorgestellt hatte, nach seinen Eltern zu suchen, schmerzte es ihn, was Ignazio gesagt hatte. Er gehörte nicht zu ihnen, nicht wirklich, das hatte er immer gewusst. Doch er gehörte auch nicht zu seinen Eltern, die ihn verlassen hatten.
Er gehörte nirgends hin.
Geheimnisse
Der Rest des Oktobers war sehr anstrengend für Emily und Miki. In dieser Zeit verloren die Silberbuchen die letzten Blätter, die möglichst rasch eingesammelt werden mussten. Die Presse lief auf Hochtouren. Täglich konnten Dutzende Fläschchen mit dem silbernen Pflanzensaft gefüllt werden. Signor Montague war sehr zufrieden. Daneben mussten aber auch die jungen Silberbuchen im Gewächshaus versorgt und gepflegt werden.
Für Emily und Miki hieß das, dass sie jede freie Minute im Wald verbringen mussten – also immer, wenn sie nicht gerade in der Bibliothek oder im Skriptorium waren. Abends kroch Emily sehr früh ins Bett und schlief auf der Stelle ein. Außer Silberbuchen, Schriftenkunde, Büchern und Schlaf gab es nichts mehr. Wenigstens fand sie einmal die Gelegenheit, ihren Freunden von ihrer Entdeckung im hüpfenden Buch zu erzählen, als sie sich abends in einem Café trafen.
„Wahnsinn“, flüsterte Emma beeindruckt und schaute sich um. Im Café schien jedoch niemand auf sie zu achten, und die Musik aus dem Grammophon war ziemlich laut.
„Aber wie ist das Buch zu Emily gekommen?“, fragte Miki nachdenklich. „Wieso hat diese Grille es durch die Stadt getragen? Und vor allem… woher genau ist es gekommen?“
Emma zuckte die Schultern. „Vielleicht aus der Bibliothek. Oder von der Person, die damals die Nachricht hineingeschrieben hat. Oder… vom Geist.“
„Eben“, meinte Miki. „Und deshalb könnte es gefährlich sein. Die Grillenmechanik könnte gefährlich sein.“
Emily zuckte die Schultern. Die Grille war ihr eigentlich ziemlich freundlich vorgekommen.
„Vielleicht hat die Grille das Buch auch dem Geist gestohlen“, überlegte sie. „Dann hat sie Finn und mich in der Stadt gesehen und ist mir gefolgt.“
Miki runzelte die Stirn. „Wir sollten das Buch auf jeden Fall Madame Foucault geben“, sagte er. „Vielleicht steht noch mehr drin, und sie könnte etwas über die Gilde und die Geister herausfinden?“
Emily nickte zögernd. Sie hätte lieber selbst noch ein bisschen weiter gelesen,
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