Hüter des Todes (German Edition)
seinem Ophthalmoskop. «Ich erhöhe die Propofol-Dosierung, um die Sedierung zu verstärken. Und ich verschaffe der kortikalen Stimulation einen zusätzlichen Schub.»
Logan beobachtete, wie der Arzt sich an seinen Instrumenten zu schaffen machte. Als er fertig war, ging er erneut den Hypnosetext durch. Diesmal verflachte Jennifers Atem und wurde schneller.
«Entspann deinen Geist», sagte Rush mit ruhiger, eindringlicher Stimme. «Lass ihn frei schweifen. Lass dein Bewusstsein aus deinem Körper entweichen. Lass eine leere, unbewohnte Hülle zurück.»
Eine leere Hülle. Ohne genau zu wissen, warum, war Logan plötzlich alarmiert. Er machte instinktiv einen Schritt vor, als wollte er die Prozedur unterbinden, bevor er sich wieder unter Kontrolle hatte.
Rush nahm erneut den Recorder und schaltete ihn ein. «Mit wem spreche ich?»
Jennifers Mund bewegte sich. «Stimme … von Horus.»
«Und weißt du, wer ich bin?»
«Der Grabschänder. Der … Ungläubige.»
«Sag mir mehr über das Ornament in dem Gemälde an der Wand. Das Ornament, das der Pharao oder Hohepriester trägt.»
«Kein … Priester. Nur für … Kind von Ra.»
Kind von Ra. Der Pharao. Logan runzelte die Stirn. Dieser Beiname – Kind von Ra – war frühestens in der vierten oder fünften Dynastie aufgekommen, Hunderte von Jahren nach Narmers Zeit. Konnte das ein weiterer Hinweis auf Christina Romeros Vermutung sein? Ein historischer Anachronismus, eine Art kollektiver Amnesie in Bezug auf Ritualpraxis und Religion nach Narmers Tod?
Rush hielt den Recorder dicht vor Jennifers Lippen. «Du hast es ‹Das, was das Leben zu den Toten befördert und den Tod zu den Lebenden› genannt. Was bedeutet das?»
«Das große … Geheimnis … Geschenk von Ra … Darf nicht besudelt werden … durch die Berührung von Ungläubigen.»
Jennifers Atem ging zusehends schneller und wurde immer flacher.
«Mach es kurz», raunte Logan drängend. «So kurz wie möglich.»
«Was liegt jenseits des dritten Tors?», fragte Rush.
Jennifers Gesicht verzerrte sich. «Ein schneller Tod. Deine Gliedmaßen werden … in alle vier Ecken der Welt verstreut. Du … ihr alle … werdet mit Wahnsinn und Tod belohnt …»
Der Fluch von Narmer , dachte Logan.
Mit einem plötzlichen Ruck richtete sich Jennifer – noch völlig unter dem Einfluss der Drogen – auf ihrem Bett auf. Doch ihre Bewegungen wirkten eigenartig, irgendwie verkehrt – es war, als würde sie von einer unsichtbaren Macht in eine sitzende Haltung gezogen wie eine Marionette.
Abrupt öffneten sich ihre Augen, doch sie starrten blicklos ins Leere. «Wahnsinn und Tod!» , schrie sie mit furchteinflößender Stimme. Dann schlossen sich ihre Augen wieder, und sie sackte in sich zusammen und fiel zurück auf das Bett. Noch während sie zurücksank, begannen die Instrumente verrücktzuspielen.
«Was ist passiert?», fragte Logan scharf. Doch Rush antwortete nicht und hantierte stattdessen mit den medizinischen Apparaten. Er trat neben Jennifer und untersuchte sie rasch. Kurz darauf richtete er sich wieder auf.
«Sie scheint einen kurzen Krampfanfall gehabt zu haben», sagte er. «Mehr kann ich im Augenblick auch nicht sagen, ohne weitere Tests durchzuführen. Ich lasse das Propofol noch einige Minuten laufen, dann hole ich sie zurück.»
Logan runzelte die Stirn. Mit der gesamten Prozedur waren sie wesentlich weiter gegangen, als ihm lieb war. «Und das war das letzte Mal, richtig?»
«Richtig. Ich werde ihr auf keinen Fall einen weiteren Übergang zumuten – nicht einmal, wenn Stone ihn von ihr verlangt.»
«Das freut mich zu hören. Denn nach allem, was ich eben gesehen habe, Ethan, muss ich dir sagen, dass diese Behandlung Jennifers meiner Meinung nach durch nichts zu rechtfertigen ist. Insbesondere nicht angesichts ihrer Vergangenheit.»
Rush starrte ihn an. «Was für eine Vergangenheit meinst du?»
«Die Vergangenheit, die ich in den Dokumenten des CTS gefunden habe. Auf der CD, die du mir gegeben hast. Ihre psychische Krankengeschichte.»
Rush sah ihn weiter an, doch seine Miene wurde hart. Als er schwieg, fuhr Logan fort. «Ich spreche von ihrer Diagnose einer schizoaffektiven Störung.»
«Du redest von einer zwanzig Jahre alten Diagnose», sagte Rush, und sein Tonfall wurde defensiv. «Einer Fehldiagnose obendrein. Jennifer hat nie an einer schizoaffektiven Störung gelitten – es war nichts weiter als das temporäre Ausflippen, das typisch für Teenager ist.»
Logan antwortete
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