Hüter des Todes (German Edition)
historischen Aufzeichnungen», erwiderte Logan. «Wie haben Sie das alles herausgefunden?»
«Wie ich Sachen herausfinde, Dr. Logan?» Stone breitete die Hände aus. «Ich suche in den dunklen Ecken, in die zu blicken sich andere nicht die Mühe machen. Ich suche in öffentlichen und privaten Aufzeichnungen, immer auf der Suche nach jenem einen verlorenen Dokument, das versehentlich unter die anderen gerutscht ist und dort vergessen wurde. Ich lese alles und jedes, was ich in die Finger kriege – einschließlich, wie ich hinzufügen darf, obskurer Doktorarbeiten.»
Logan legte eine Hand auf die Brust und verneigte sich spöttisch.
«Die Leute reden über das Geheimnis meiner Midas-Hände.» Stone stieß die letzten Worte beinahe verächtlich aus. «Was für ein Unsinn. Es gibt kein Geheimnis hinter harter gründlicher Arbeit. Das Vermögen, das ich mit der Bergung der spanischen Schatzschiffe gemacht habe, verschaffte mir die Ressourcen, die Dinge auf meine Weise zu tun. So konnte ich Forscher und Ermittler in alle Ecken der Welt senden und sie unauffällig nach jener aufregenden Lücke in den historischen Aufzeichnungen fahnden lassen, jenem Fetzen von uraltem Gerücht, das sich vielleicht als interessant erweisen konnte – und vielleicht sogar mehr als nur interessant .»
Die Bitterkeit verschwand genauso schnell aus Stones Stimme, wie sie gekommen war. «Im Fall von Flinders Petrie kam ich in den Besitz eines alten Tagebuchs, erstanden als Teil eines Konvoluts auf einem Basar in Alexandria. Das Tagebuch stammte von einem Forschungsassistenten Petries während seiner letzten Jahre in Jerusalem. Ein junger Mann, der nicht gefragt wurde, ob er zu dieser letzten Expedition mitkommen wollte und der hinterher aus Verdruss zur Armee ging. Er starb in der Schlacht am Kasserinpass. Wie dem auch sei, die Geschichte in seinem Tagebuch weckte mein Interesse. Was konnte in Petrie gefahren sein? Er machte sich wenig aus Schätzen und hatte ein gewaltiges Maß wissenschaftlichen Ruhms erlangt, ganz zu schweigen davon, dass er jedes Recht darauf hatte, seinen Lebensabend zu genießen. Was konnte in diesen Mann gefahren sein, dass er mit beinahe neunzig Jahren noch den Komfort und die Sicherheit seines Heims verließ und in ein Kriegsgebiet reiste? Es war ein Rätsel.»
Stone verstummte. «Sie müssen eines wissen, Dr. Logan», fuhr er nach einigen Sekunden fort. «Ich habe hundert, nein zweihundert derartiger Rätsel im Tresor meines Forschungslabors in Kent. Einige davon habe ich selbst entdeckt, bei anderen habe ich eine Stange Geld bezahlt, um sie auszugraben. Sie sind alle interessant. Doch meine Zeit ist endlich. Ich fange kein Projekt an, bevor ich nicht sicher bin, genügend Wissen zusammengetragen zu haben, um das Rätsel erfolgreich zu lösen.»
Die Midas-Hand, dachte Logan. Laut sagte er: «Ich nehme an, dieser Forschungsassistent von Petrie war nicht die letzte Spur?»
Stone lächelte erneut, und als er Logans Blick erwiderte, kehrte der nüchterne, abschätzende Ausdruck in seine Augen zurück. «Petries Haushälterin. Einer meiner Mitarbeiter erfuhr von ihrer Existenz, fand heraus, wo sie lebte, und befragte sie kurz vor ihrem Tod in einem Hospiz in Haifa. Das war vor sechs Jahren. Sie war bereits halb weggedämmert. Doch unter sanfter Befragung erinnerte sie sich sehr deutlich an einen besonderen Nachmittag im Jahre 1941, als Petrie einem Gast einen Teil seiner riesigen Sammlung zeigte. Es war kein besonders wichtiger Gast, doch Petrie gestattete sich dieses Vergnügen häufiger. Wie dem auch sei, an diesem besonderen Nachmittag, an den sich die Haushälterin so glasklar erinnerte, erforschten Petrie und sein Gast den Inhalt einer Holzkiste von einer der frühesten Exkursionen des Ägyptologen an den oberen Nil. Und mit einem Mal richtete sich Petrie kerzengerade auf, wie erstarrt von einem elektrischen Schock. Er stammelte eine Minute lang wirres Zeug und entledigte sich mit einer Ausrede hastig seines Besuchers. Dann schloss er sich in seinem Arbeitszimmer ein – was er noch nie zuvor getan hatte. Das ist der Grund, warum sich die Haushälterin so gut an den Zwischenfall erinnern konnte. Wenige Tage später brach er zu seiner letzten Expedition nach Ägypten auf.»
«Er muss etwas in dieser Kiste gefunden haben», sinnierte Logan.
Stone nickte. «Definitiv. Etwas, das all die Jahre da gelegen hatte, unbeachtet – oder besser, niemals genauer untersucht bis zu jenem Tag, an dem der Gast eintraf. Petrie
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