Hüter des Todes (German Edition)
für den Rest meines Lebens tun wollte. Wie Sie sich denken können, ist es normalerweise kein Vollzeitjob … deswegen die Professur an der Yale.»
«Aber wie haben Sie Ihre … Ihre Fähigkeiten entwickelt?», fragte Christina Romero. «Ich meine, es gibt schließlich keine Diplomkurse in Enigmatologie, oder?»
«Das nicht. Aber es gibt eine Menge Abhandlungen über das Thema. An dieser Stelle kommt es gelegen, wenn man sich in mittelalterlicher Geschichte auskennt.»
«Sie meinen so etwas wie den Malleus Maleficarum ?»
«Den Hexenhammer, genau. Und noch sehr viele andere Bücher, zum Teil sehr viel älter und maßgeblicher.» Er zuckte die Schultern. «Im Übrigen ist es wie bei allem anderen auch – Probieren geht über Studieren.»
Der skeptische Ausdruck schlich sich zurück in Christina Romeros Gesicht. «Abhandlungen. Erzählen Sie mir nicht, Sie glauben an all diese Geschichten über Geister und Astrologie und den Stein der Weisen?»
«Das sind lediglich westeuropäische Beispiele, die Sie da erwähnen. Jede Kultur hat ihren eigenen Apparat an übernatürlichen Geschichten. Ich habe mehr oder weniger alle studiert, die irgendwie dokumentiert sind, und einige darüber hinaus. Ich habe die Elemente analysiert, die alle gemein haben.» Er hielt inne. «Was ich glaube, ist, dass es über die natürliche, sicht- und erfahrbare Welt hinaus elementare Kräfte gibt – einige gut, andere böse –, die stets als Gegenpol zu uns selbst existiert haben und existieren werden.»
«Wie beispielsweise ein Fluch über dem Grab einer Mumie», sagte Christina Romero. Sie deutete auf Logans Glas. «Wie viele davon hatten Sie schon, bevor ich gekommen bin?»
«Stellen Sie sich Atome vor oder dunkle Materie. Wir können sie nicht sehen, aber wir wissen, dass sie da sind. Warum kann es dann nicht auch Geistwesen geben – oder Kreaturen, denen wir einfach noch nicht begegnet sind? Oder, wenn wir schon dabei sind, Mächte, die zu zähmen wir bisher einfach noch nicht gelernt haben?»
Der skeptische Gesichtsausdruck von Christina Romero vertiefte sich.
Logan zögerte für einen Moment. Dann streckte er die Hand aus, nahm den Strohhalm aus Christina Romeros Daiquiri und legte ihn auf die weiße Tischdecke zwischen sich und sie. Er legte die Hände auf beide Seiten des Halms, die Handflächen nach unten, die Finger leicht gespreizt. Er atmete leicht ein und langsam wieder aus.
Zuerst geschah nichts. Dann erzitterte der Strohhalm leicht. Und dann, nach einem weiteren, heftigeren Erzittern, erhob er sich für eine Sekunde in die Luft, schwebte zitternd zwei Zentimeter über der Tischdecke, bevor er wieder zurückfiel, einmal herumrollte und schließlich wieder still lag, als wäre nichts geschehen.
«Guter Gott!», entfuhr es Christina Romero. Sie musterte den Strohhalm, dann richtete sie ihn behutsam auf, als könnte sie sich die Finger daran brechen. «Wie haben Sie das gemacht? Das war ein verdammt guter Zaubertrick!»
«Mit dem richtigen Training könnten Sie das vermutlich auch», erwiderte Logan. «Allerdings nicht, solange Sie glauben, es wäre ein Trick.»
Sie nahm den Halm und musterte ihn zweifelnd, dann legte sie ihn zurück auf den Tisch, bevor sie nachdenklich einen langen Schluck von ihrem Daiquiri nahm. «Noch eine letzte Frage», sagte sie. «In meinem Büro – alles, was Sie über mich gesagt haben, entspricht der Wahrheit. Bis hin zu der Tatsache, dass ich das jüngste Kind meiner Eltern bin. Woher wussten Sie so viel über mich?»
«Ich bin ein Empath», sagte Logan.
«Ein Empath? Was ist das?»
«Jemand mit der Fähigkeit, die Gefühle anderer Menschen zu absorbieren. Als ich Ihre Hand geschüttelt habe, empfing ich eine Reihe von sehr starken Erinnerungen, Ansichten, Gedanken, Sorgen, Wünschen – eine wahre Flut. Sie sind nicht selektiv – ich habe keinerlei Kontrolle über die Impressionen, die ich empfange. Ich weiß nur, sobald ich mit einer anderen Person in körperlichen Kontakt komme, empfange ich Eindrücke, manchmal mehr, manchmal weniger.»
«Empathie …», sagte die Ägyptologin. «Klingt in meinen Ohren genauso abgedreht und wirr wie Aromatherapie und Kristalle.»
Logan zuckte die Schultern. «Dann verraten Sie mir doch, woher ich das alles wusste.»
«Dafür habe ich keine Erklärung.» Sie sah ihn an. «Wie sind Sie zum Empath geworden?»
«Es ist vererbt. Es gibt einen biologischen und einen spirituellen Aspekt. Manchmal schläft es lebenslang in den Betroffenen, ohne
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