Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)
ihm trat. Er wich dem Tritt mit Leichtigkeit aus und stieß mit der Faust nach mir. Ich duckte mich, spürte den Luftzug seiner Faust an meiner Wange, stürzte mich nach unten auf sein Knie und riss ihn um. Wir krachten beide stöhnend auf den Boden und rollten übereinander, wobei sich unsere Arme und Beine ineinander verhakten und wir uns gegenseitig bissen. Ich rief meine andere Gestalt, spürte, wie sie wütend meinen Körper ergriff, und schlug mit den Wolfszähnen nach seinem Bauch. Mein Maul war voll Blut und Haut, die noch fauliger schmeckten, als er roch. Mir wurde übel, ich hustete und spuckte und kroch davon. In der Luft blitzte etwas Silbernes auf. Ich duckte mich, stürzte mich ein zweites Mal nach vorn und riss an der Hand und den Fingern, die das Messer hielten.
Er fluchte, dann bohrte er seine freie Faust tief in meine Seite. Etwas brach, und während ich von dem heftigen Schlag zurückgeschleudert wurde, sah ich rot. Ich überschlug mich auf dem erdigen Boden, wandelte unterwegs die Gestalt und krachte schließlich in menschlicher Form an die gegenüberliegende Wand, wobei mein gesamtes Rückgrat vibrierte.
Aber ich hatte keine Zeit, dort herumzuliegen. Keine Zeit, nach Luft zu ringen. Es war deutlich zu riechen und zu hören, dass Gautiers Gegenangriff nahte. Wenn er mich auf dem Boden festnagelte, war das mein Ende. Das wusste ich von dem einzigen Kampf, den wir bis zum heutigen Tag miteinander ausgefochten hatten.
Ich rollte mich zur Seite und stieß seitlich mit dem Fuß zu. Der Stoß traf ihn relativ weit unten und knallte kurz unter seinem Knie gegen sein Bein. Haut und Knochen gaben nach, und ich schwöre, dass ich ein Krachen hörte. Er stöhnte auf, und seine ausdruckslose Miene blitzte auf einmal wütend, dann wirbelte er herum und packte mein Bein, als ich gerade versuchte wegzukriechen. Ich schnappte unwillkürlich nach Luft, und er kicherte.
Ich drehte mich um und stürzte mich, meine Finger als Dolche benutzend, auf seine Augen. Er wich zurück. Ich änderte die Richtung meines Schlages, griff stattdessen nach unten und versuchte, seine Hand von meinem Bein zu lösen.
Er fluchte und schleuderte mich zum zweiten Mal quer durch den Raum. Ich stieß so heftig gegen die Wand, dass mir die Luft wegblieb und ich keuchte. Vielleicht kam es auch nicht von dem Schlag. Vielleicht war überhaupt keine Luft zum Atmen mehr da, denn meine Lungen brannten, und egal wie sehr ich hechelte, ich bekam anscheinend keine Luft.
Und wieder stürzte er auf mich zu.
Irgendwie rappelte ich mich vorher hoch. Irgendwie zwang ich mich, mich zu bewegen. Mehr, als dass ich es sah, spürte ich, wie die Klinge auf mich zuschoss, und warf mich zur Seite. Spürte, wie die silberne Spitze im Vorbeisausen meine Waden aufriss und eine Wunde hinterließ, die wie Feuer auf meiner Haut brannte.
Ich rollte mich auf die Füße hoch, krabbelte um den Tisch herum und nutzte ihn als Schutz. Ich stand da, beobachtete ihn und rang nach Luft, während mein Kör— per zitterte, schmerzte und blutete. Doch das spielte keine Rolle. Ich war wenigstens noch auf den Beinen und kämpfte. Bislang hatte der große Gautier mich nicht geschlagen, und das würde er auch nicht schaffen. Verdammt. Egal was er machte. Egal wie schlimm es wurde.
Wieder schoss er auf mich zu. Diesmal nahm ich sein tödliches Messer nur als verschwommenen Silberfleck wahr und hatte keine andere Wahl, als zurückzuweichen. Die Bewegung traf mich unvorbereitet, denn ich hatte nicht damit gerechnet, dass er sich nach vorn stürzen würde. Ich sprang zurück, aber meine Füße stießen gegen etwas Festes, Jins Leiche, wie ich verzweifelt feststellte, und plötzlich fiel ich der Länge nach auf den Boden. Direkt neben die gebogene Opferklinge … zu Gautiers Füßen.
Er lachte triumphierend und holte mit dem Messer Schwung, dessen blutige Klinge in dem Licht der Fackeln glänzte.
Eine Chance hatte ich noch, und ich nutzte sie.
»Rhoan«, keuchte ich und blickte an Gautier vorbei. »Blas dem Mistkerl das Gehirn weg.«
Gegen jede Wahrscheinlichkeit und gegen jede Vernunft drehte Gautier sich um. Ich schnappte mir das gebogene Messer, richtete mich auf, schwang die glänzende Klinge von links nach rechts und trennte Gautiers Kopf von den Schultern.
Ich sah noch den ungläubigen Blick in seinen Augen, bevor sein Körper zusammensackte und der Kopf in die Dunkelheit rollte. Was gut war, denn ich wollte diese hässliche Visage nicht länger als nötig sehen.
Ich
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