Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)
mit irgendwelchen Fremden? Na, toll.«
Ich starrte ihn an und konnte nicht fassen, dass er nicht einsah, wie falsch sein Verhalten gewesen war. »Was du getan hast, ist nichts anderes, als was Talon, Misha oder sogar Starr mit mir gemacht haben. Du hast versucht, mich zu etwas zu zwingen, das ich aus freien Stücken nicht tun wollte. Verdammt, als man das mit dir getan hat, fandest du es entsetzlich, Quinn. Du hast dich an deiner sogenannten Verlobten gerächt, indem du sie um ihre Identität und ihr Leben gebracht hast. Und trotzdem hast du eine psychische Verbindung anstelle einer Droge benutzt, um mir etwas aufzuzwingen, das du gern wolltest.«
Er sagte nichts. Vermutlich war es schwer, etwas zu widerlegen, das so sehr der Wahrheit entsprach. Aber es überraschte mich trotzdem, dass er es nicht versuchte. Normalerweise tat er das.
»Jack hat mir sechs Wochen freigegeben«, fuhr ich fort. »Und ich möchte die doppelte Zeit haben, um Ordnung in mein Leben zu bringen. In dieser Zeit will ich keinen Kontakt zu dir. Ich will dich nicht sehen, ich will nichts von dir hören, ich will nicht, dass du in meinen Gedanken oder in meinen Träumen auftauchst. Ich will einen richtigen vollkommenen Bruch.«
»Nur für drei Monate?« Seine Stimme klang nach wie vor gleichgültig, aber ich hatte das Gefühl, dass er sich sehr stark kontrollierte.
Was die Hälfte des verdammten Problems ausmachte.
Wie konnte ich jemandem vertrauen, den ich nie richtig sah?
Wie konnte ich Gefühlen vertrauen, von denen er mir immer ständig erzählte, sie aber nicht in Handlungen oder Reaktionen umsetzte?
»Nach drei Monaten werde ich sehen, wie es in meinem Kopf aussieht. Es gibt keine Garantie welcher Art auch immer, dass ich je wieder mit dir zusammen sein werde, Quinn.«
Eine Weile sagte er nichts, starrte mich nur mit seinen schwarzen Glasaugen an, die dunkler waren als die Nacht und deutlich gefährlicher.
Dann griff er meine Arme, riss mich an sich und suchte fast rigoros mit seinen Lippen meinen Mund. Ich hätte mich wehren können. Wirklich. Aber ich wollte es nicht. Wenn dies ein Abschied war, dann wollte ich ihn auf jeden Fall genießen.
Und wenn nicht? Genoss ich es trotzdem und ohrfeigte ihn später.
Denn dieser Kuss war anders als alles, was ich bisher erlebt hatte. Es war ein wilder, erotischer und sehr unmissverständlicher Ausdruck dessen, was er wollte. Was er fühlte. Er hatte es mir zwar nie gesagt oder gezeigt, aber in diesem Augenblick spürte ich es, in seinem Kuss, an dem Druck seines Körpers, in der intensiven, verzweifelten Lust, die um uns herumflirrte.
Aber es war zu spät. Ich brauchte Zeit. Ich musste nachdenken. Ich unterbrach unseren Kuss und löste mich aus seiner Umarmung.
»Nein«, sagte ich, streckte abwehrend die Hand aus und wich vor ihm zurück. »Genug. Du schuldest mir Zeit, Quinn. Sonst nichts, aber das bist du mir schuldig.«
»Bitte nicht um etwas, wenn du es nicht wirklich willst.« Seine Stimme war kaum mehr als ein raues Kratzen. »Du könntest es tatsächlich bekommen.«
Mit diesen Worten hüllte er seinen Körper in Schatten, wirbelte herum und lief in großen Schritten davon. Ich stieß langsam die Luft aus und schüttelte mich.
»Nun, das ging ja viel besser, als ich dachte«, kommentierte Rhoan von der anderen Straßenseite.
Ich lachte leise und drehte mich um.
Und plötzlich fühlte ich mich himmlisch frei . »Wollen wir in einen Pub gehen? Ich spendiere dir ein Steak und ein Bier? Wie wär’s?« Ich schob eine Hand in die Tasche meines geliehenen Mantels und hielt ihm auffordernd meinen Arm hin.
Er reichte mir meinen Kaffee, dann hakte er sich bei mir ein, und wir gingen die Straße hinunter. »Und anschließend?«
»Rufe ich Kellen an und fange an, Pläne zu schmieden.«
»Gut.«
Ja, das war gut.
Denn zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit freute ich mich auf die Zukunft. Meine Zukunft.
Das war nach allem, was in den letzten zehn Monaten geschehen war, ein wundervoller Ort.
Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel
»Dangerous Games« bei Bantam Dell,
a Division of Random House Inc., New York
1. Auflage
Deutsche Erstausgabe Oktober 2011 bei Blanvalet,
einem Unternehmen der
Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Copyright © 2007 by Keri Arthur
Copyright © 2011 für die deutsche Ausgabe
by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House, München
Published in agreement with the author, c/o Baror
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